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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Drehorgelmusik auf und nieder hüpfte. Diese Erscheinung setzte Hanswurst in Erschrecken, bis Harlekin erklärte, daß es nur sein Freund Scaramouche sei. »Ist es nicht lustig, Leute zu Kumpanen zu haben, vor denen alle anderen Angst haben?« Hanswurst dachte darüber nach, das Kinn in der Hand, dann lachte und nickte er und setzte seinen Tanz fort. Selbst die Harlekinpuppe tanzte auf ihren Stelzen, und Doyle dachte beeindruckt, welche Verrenkungen der Puppenspieler machen müsse, um drei Puppen tanzen zu lassen und dazu die Drehorgel zu bedienen.
    Nun kam eine vierte Puppe auf die Bühne gewirbelt - es war die Gestalt einer Frau, mit der übertrieben üppigen Figur, wie Halbwüchsige sie auf Wände malen, aber ihr weißes Gesicht, die dunklen Augenhöhlen und der lange weiße Schleier machten deutlich, daß sie ein Gespenst sein sollte. »Mein liebster Schatz!« rief Hanswurst, immer noch tanzend. »Du bist jetzt noch viel schöner als zuvor!«
    Er tanzte zum Vordergrund der kleinen Bühne, und plötzlich brach die Musik ab, und ein Vorhang fiel hinter ihm und isolierte ihn von den anderen. Er tat noch ein paar zögernde Tanzschritte und blieb dann stehen, denn eine neue Puppe war auf den Plan getreten - eine düstere Gestalt mit schwarzer Kapuze, die einen Galgen, von dem eine kleine Schlinge baumelte, vor sich herschob.
    »Der Henker!« sagte Hanswurst.
    »Ja, der Henker«, sagte der Neuankömmling. »Oder der schwarze Schnitter. Es ist ganz gleich, wie du mich nennst, Hanswurst. Ich bin gekommen, dich auf Anordnung des Gesetzes hinzurichten.«
    Harlekins Kopf erschien kurz in den Falten des Vorhangs. »Sieh zu, ob du ihn töten kannst!« sagte er und zog sich zurück.
    Hanswurst klatschte in die Hände. Dann brachte er den Henker mit raffinierter Geschwätzigkeit dazu, sich die Schlinge selbst um den Hals zu legen, nur um zu zeigen, wie es gemacht wurde, und Hanswurst zog am Strick, daß die Puppe des Henkers mit realistisch zappelnden Beinen am Galgen hing. Hanswurst lachte und wandte sich mit ausgebreiteten Armen dem Publikum zu. »Hurra!« rief er in seiner piepsigen Stimme. »Jetzt ist der Tod tot, und wir alle können tun, was uns gefällt!«
    Der Vorhang hinter ihm ging wieder auf, und die Musik setzte dröhnend ein, diesmal sehr schnell und wild, und die Puppen tanzten alle um den Galgen, Hanswurst Hand in Hand mit dem Geist seiner vormaligen Gefährtin. Einige der Jungen und einer der alten Männer standen auf und gingen fort; der alte Mann schüttelte angewidert den Kopf.
    Hanswurst und der Geist tanzten in den Vordergrund, so daß sie allein auf der Bühne waren, als der Vorhang wieder fiel und die Musik verstummte. »Das, Damen und Herren«, piepste Hanswurst, »war meine neue und berichtigte Oper.« Er drehte den Kopf und überblickte sein Publikum, das inzwischen auf zwei alte Landstreicher, drei Jungen und Doyle zusammengeschrumpft war. Dann vollführte er einen schnellen Tanz und zwickte die Geisterpuppe obszön. »Horrabin hat eurem bescheidenen Diener eine Gefälligkeit erwiesen, Freunde«, sagte er. »Und jeder von euch, der interessiert ist, kann hinter der Bühne mit mir sprechen.« Er warf Doyle einen Blick zu, der für Glasaugen überraschend lebensecht war, und dann ging der äußere Vorhang zu. Die Vorstellung war beendet.
    Ein alter Mann und ein Junge gingen mit Doyle um die Bude des Schaustellers, und die Puppe des Hanswurst, die jetzt, außerhalb der im Maßstab angepaßten Bühne sehr klein aussah, winkte ihnen über dem Vorhang zu, der als Hintertür diente.
    »Meine Bewunderer!« quietschte die Puppe. »Einer zur Zeit - der ausländische Herr zuletzt.«
    Doyle, der sich wie ein Narr vorkam, stand hinter dem augenscheinlich schwachsinnigen Jungen, während der alte Mann in die Bude schlurfte. Es war wie das Warten vor einem Beichtstuhl, dachte er trübe. Die gemurmelten Fragen und Antworten, die aus dem Innern der Schaustellerbude drangen, machten den Vergleich noch überzeugender.
    Bald bemerkte Doyle, daß verschiedene Leute in der Menge der Marktbesucher ihn eigentümlich ansahen; ein gutgekleideter Mann, der ein Kind an der Hand führte, schaute ihn mit einer Mischung von Mitleid und Geringschätzung an, ein stämmiger Alter starrte offensichtlich neidisch herüber, und ein Polizist musterte ihn - zu Doyles Beunruhigung - mit zusammengekniffenen Lippen und schmalen Augen, als sei er halb entschlossen, ihn an Ort und Stelle festzunehmen. Doyle blickte an sich hinunter auf die

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