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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Frage ist«, unterbrach ihn der Harlekin, »ob Sie auf der Straße Lampenfieber bekommen. Ich spreche nicht vom Herumgehüpfe in einem Schauspielhaus.«
    »Ach so? Was dann, Straßenvorstellungen? Nun...«
    »Ja«, sagte der Harlekin ungeduldig, »die Feinheiten einer Straßenvorstellung - betteln. Wir werden Ihnen eine Rolle auf den Leib schreiben, und dann können Sie, je nachdem, welche... ah... Opfer zu bringen Sie bereit sind, bis zu einem Pfund am Tag verdienen.«
    Die Erkenntnis, daß, was er für Schmeichelei gehalten hatte, bloß eine klinische Einschätzung seiner Fähigkeit, Mitleid zu erwecken, gewesen war, traf Doyle wie ein Schlag ins Gesicht. »Betteln?« Der Zorn machte ihn schwindeln. »Nein, besten Dank«, sagte er mit gepreßter Stimme und stand auf. »Ich habe eine ehrliche Beschäftigung, den Verkauf von Zwiebeln.«
    »Ja, ich bemerkte Ihre Eignung dafür bereits. Dann gehen Sie nur - doch sollten Sie Ihre Meinung ändern, fragen Sie irgend jemand im East End, wo Horrabins Puppentheater spielt.«
    »Ich werde es mir nicht anders überlegen«, sagte Doyle und verließ die Schaubude. Er ging fort und blickte nicht zurück, bis er den Rand der langen, parallel zur Straße verlaufenden Kaimauer erreicht hatte. Horrabin, wieder auf Stelzen, tappte davon, einen Wagen nachziehend, der offensichtlich die Schaubude selbst war, zusammengeklappt und zerlegt. Doyle wandte sich schaudernd nach links zu den Anlegebrücken und hielt nach Chris' Ruderboot Ausschau.
    Es war fort. Entlang den Kais und Anlegebrücken lagen jetzt weniger Boote, und der Fluß war gesprenkelt mit kleinen Wasserfahrzeugen, die plumpe braune Segel gesetzt hatten und sich stromaufwärts und stromabwärts entfernten. Doyle fragte sich besorgt, was los sei, der Markt konnte noch nicht schließen, es war noch nicht Mittag - und er konnte einige hundert Meter draußen ein Ruderboot sehen, das nach Form und Aussehen dasjenige sein konnte, mit dem er gekommen war. »He!« rief er hinüber, und geriet augenblicklich in Verlegenheit, so schwach war seine Stimme; selbst auf der nächsten Anlegebrücke hätten sie ihn nicht gehört.
    »So, was gibt es denn da?«
    Doyle wandte sich um und sah den Gendarmen, der ihn kurz zuvor unfreundlich beäugt hatte. »Wie spät ist es bitte, Sir?« fragte er ihn und versuchte dabei die Vokale zu verschlucken, wie alle anderen es taten.
    Der Beamte zog eine Taschenuhr an einer Kette aus seiner Westentasche, warf mit hochgezogener Braue einen Blick darauf und steckte sie wieder ein. »Geht auf elf. Warum?«
    »Warum fahren sie alle fort?« Doyle winkte mit einer Hand zu den über das Wasser verstreuten Booten.
    »Wie ich sagte, es ist gleich elf«, antwortete der Beamte. Er bemühte sich deutlich um eine sehr klare Aussprache, als ob er meinte, Doyle könnte betrunken sein. »Und es ist Sonntag, was zu erfahren Sie interessieren wird.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß der Markt sonntags um elf schließt?«
    »So ist es. Woher kommen Sie? Das ist kein Dialekt von Surrey oder Sussex, was Sie sprechen.«
    Doyle seufzte. »Ich bin aus Amerika - Virginia. Und obwohl ich...« - er fuhr sich mit der Hand über die Stirn - »obwohl ich aller Sorgen ledig sein werde, sobald ein Freund von mir in der Stadt eintrifft, bin ich gegenwärtig mittellos. Wo gibt es hier eine mildtätige Einrichtung, wo ich Nahrung und ein Bett bekommen könnte, bis ich meine Angelegenheiten ordnen kann?«
    Der Polizist runzelte die Stirn. »Bei den Schlachthäusern in der Whitechapel Street gibt es ein Arbeitshaus; dort können Sie Nahrung und Unterkunft bekommen, wenn Sie beim Gerben der Häute helfen und die Abfallkästen hinausziehen.«
    »Ein Arbeitshaus, sagen Sie?« Doyle erinnerte sich, wie Dickens diese Orte vierzig Jahre später schildern sollte. »Danke.« Er schlurfte davon.
    »Augenblick«, rief ihm der Gendarm nach. »Wenn Sie Geld bei sich haben, zeigen Sie es her.«
    Doyle grub in seiner Tasche nach den sechs Pennies und hielt sie dem Polizisten auf der Handfläche hin.
    »Sehr gut, ich kann Sie jetzt nicht wegen Landstreicherei mitnehmen. Aber vielleicht sprechen wir uns heute abend wieder.« Er tippte an seinen Helm. »Guten Tag.«
    Doyle kehrte zurück zur Thames Street und gab die Hälfte seines Vermögens für einen Teller Gemüsesuppe und eine Kelle Kartoffelbrei aus. Es schmeckte wundervoll, aber danach war er wenigstens so hungrig wie zuvor, also bestellte er für seine letzten drei Pennies noch einmal das gleiche. Der

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