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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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nichts gebrochen. Müde ließ er sich gegen den Verschlag zurücksinken und die Füße über dem Wasser baumeln.
    Die gelben Punkte der Laternen vorbeifahrender Boote und ihre Spiegelungen belebten die Schwärze des Flusses wie auf einem Gemälde von Monet, und die Lichter des Stadtteils Lambeth säumten das gegenüberliegende Ufer und markierten mit ihren Ketten den nahen Horizont. Der Mond, eine matt orangefarbene Sichel, schien eine halbe Meile östlich auf dem Geländer der Blackfriars Bridge zu balancieren. Hinter und über ihm zu seiner Rechten waren die Lichter der Adelphi Terrace auszumachen; sie ähnelten einem phantastischen Vergnügungsschiff, von der Ebene des Wasserspiegels betrachtet, und wenn die Brise einschlief, konnte er von dort leise Musik hören.
    Ein weiterer Hustenanfall kündigte sich in Brust und Kehle an, aber die Furcht verlieh ihm die Kraft, den Reiz zu unterdrücken, als er auf dem Plankenweg hinter ihm ein langsames, schweres Klopfen näherkommen hörte.

    Jacky war froh, daß das Wasser rasch genug durch den unterirdischen Kanal strömte, um das Steuer überflüssig zu machen, denn wenn man es weit nach Backbord umlegte, würde es ihr gegen den Kopf schlagen; und wenn die Leute im Boot mehr Herrschaft über ihr Fahrzeug gehabt hätten, als es mit Stangen von den Wänden abzustoßen, wann immer die Strömung es zu nahe trieb, hätten sie die hemmende Last ihres blinden Passagiers bemerkt. Das um ihren Hals wirbelnde Wasser wurde noch kälter, als sie sich dem Fluß näherten, und sie mußte die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht klapperten. Sie war sorgfältig bedacht, den Kopf aus dem Wasser zu halten, denn sie hatte eine kleine Steinschloßpistole in ihren Turban gewickelt und wollte die Zündpfanne trockenhalten. Die Fackeln an Bug und Heck des Bootes flackerten und qualmten in der schwefligen Brise, verbreiteten bisweilen nur einen trüben roten Schein, um bei anderen Gelegenheiten hell aufzuflackern und jeden Stein der dicht über ihnen vorbeigleitenden Decke grell zu beleuchten.
    Noch vor fünf Minuten war sie trocken und warm gewesen und hatte über dem Feuer in der Küche von Horrabins Rattenburg in Maynard Street Würste gebraten. Sie war in ihrer Tracht als Achmed der indische Bettler gewesen, mit Turban, Sandalen und einem Gewand, das aus einer Bettdecke gemacht war, mit Walnußfarbe im Gesicht und an den Händen, und einem falschen Bart, der ihren gewohnten falschen Schnurrbart ergänzte, denn sie hatte in der Rattenburg den exilierten Fairchild gesehen und wollte nicht als einer von Kopenhagen-Jacks Leuten erkannt werden. Eine halbe Stunde zuvor war Dr. Romany eingetroffen, hatte sich in einen von Horrabins hängenden Sitzen geschwungen, seine unheimlichen Schuhe ausgezogen und sich sodann mit einem Bündel von Schiffahrtsberichten beschäftigt.
    Dann war einer von Horrabins Bettlern hereingeplatzt, ein stämmiger, rotgesichtiger alter Kerl, völlig außer Atem vom Laufen, und hatte, kaum im Zimmer, seine Botschaft hervorgekeucht: »Dr. Romany... schnell... am Strand, und in Richtung zum Fluß, ein Mann ist erschossen worden.«
    »Wer? Wer ist erschossen worden?« Romany hüpfte vom hängenden Sitz, ohne seine federnden Schuhe anzuziehen, und sein altes Gesicht verzog sich qualvoll; rasch schwang er sich wieder hinauf und zog die Schuhe an. »Wer, verdammt?« knurrte er.
    »Ich weiß nicht... Simmons sah es und... schickte mich... Sie zu holen. Er sagte, es sei der Mann, für den Sie eine Belohnung geboten haben.«
    Mittlerweile hatte Romany die Schuhe angezogen und zugeschnürt, und nun sprang er wieder vom Sitz und hüpfte beweglich auf den starken Federn. »Wer? Das muß Hundsgesicht-Joe sein. Sie würden niemals wagen, den Amerikaner zu erschießen. Na, wo ist er? Am Strand, sagst du?«
    »Ja, Sir. Und läuft südwärts. Es wäre am raschesten, Sir, ein Boot durch den unterirdischen Kanal direkt zu den Adelphi-Bogen zu nehmen. Durch den Regen führen alle Kanäle viel Wasser...«
    »Dann geh voran - und beeil dich! Ich kannte den alten Joe jahrelang, und wenn sie ihn nicht direkt getötet haben, wird er ihnen entwischen.«
    Als die beiden Männer die Kellertreppe hinabeilten, war Achmed, der indische Bettler, nur wenige Schritte hinter ihnen. Die Würste waren vergessen. Das hörte sich gut an, dachte Jacky mit klopfendem Herzen und zwang sich, Distanz zu halten, damit die beiden sie nicht bemerkten. Und sie betete zu Gott, daß er noch am Leben sein mochte; und

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