Die Tore zu Anubis Reich
ein seitliches Ausweichen unmöglich machte.
Doyle blickte hastig über die Schulter und sah Horrabin nur noch einen Riesenschritt entfernt. Das bemalte Gesicht grinste irre wie ein chinesischer Drache, und eine weiße Klauenhand war ausgestreckt. Doyle sprang seitwärts auf die Straße; er kam zu Fall, wälzte sich im letzten Augenblick unter den hämmernden Hufen eines Droschkenpferdes heraus, rappelte sich auf und sprang auf das Trittbrett einer Kutsche, wo er sich mit einer Hand am Fenstersims und mit der anderen am Dachgeländer festhielt.
Die Insassen der Kutsche waren ein alter Mann und ein junges Mädchen. »Bitte fahren Sie schneller!« schnaufte Doyle. »Ich werde verfolgt von...«
Der alte Mann hatte zornig einen schlanken Spazierstock aufgenommen und auf Doyle gerichtet, und nun stieß er ihm das Ende mit der wohlgezielten Kraft des einleitenden Stoßes bei einer Partie Pool-Billard vor die Brust. Doyle flog von seinem Standplatz, als ob er erschossen worden wäre, und obwohl es ihm gelang, auf den Füßen zu landen, wurde er vom Schwung der Fahrgeschwindigkeit umgerissen und überschlug sich einige Male.
Das in einem Eingang kauernde einäugige Geschöpf mit dem verwüsteten Gesicht kicherte und bewegte die Papiermachehände in einer Pantomime von Applaus. »Ah, ja ja! Und nun in den Fluß, Doyle - drüben auf der anderen Seite gibt es etwas, was ich dir zeigen möchte«, krächzte das Glück der Bettler von der Surreyseite.
»Gott sei uns gnädig, er ist erschossen worden!« rief Horrabin. »Packt ihn, solange er noch Atem in sich hat, ihr Mistkäfer!«
Doyle war wieder auf die Füße gekommen, aber jeder Atemzug schien einen Riß in seiner Brust zu erweitern, und er dachte, daß er, wenn jetzt ein Hustenanfall käme, daran sterben würde. Einer seiner Verfolger war nur wenige Schritte entfernt und kam mit einem zuversichtlichen Lächeln näher, und Doyle griff in die Tasche, zog das schwere Armband heraus und schleuderte es dem Mann mit aller Kraft ins Gesicht; dann, ohne abzuwarten, welche Wirkung es hatte, machte er kehrt und hinkte zum Straßenrand, überquerte den Gehsteig und verschwand in einer Gasse.
»Ihr alle seid morgen das Abendessen, wenn ihr ihn nicht herbeischafft!« schrillte Horrabin, dem der Schaum von den zinnoberrot bemalten Lippen flog, während er auf der Nordseite der Straße einen wütenden Stelzentanz aufführte.
Einer seiner Bettler eilte vorwärts, hatte aber die Geschwindigkeit einer Mietdroschke falsch eingeschätzt und geriet unter die Hufe, und bevor der Fahrer die Pferde und das Fahrzeug zum Stehen bringen konnte, hatte eines der Vorderräder den Mann in der Mitte überrollt. Der gesamte Verkehr auf diesem Abschnitt des Strands kam zum Erliegen, Kutscher schrien einander an und schlugen in einigen Fällen mit ihren Peitschen aufeinander ein.
Horrabin verließ den Gehsteig und stelzte durch das Wirrwarr zur anderen Straßenseite hinüber.
Doyle kam zwischen zwei Gebäuden hervor und klapperte eine alte Holztreppe hinunter zu einer Art Plankenweg, der am Ufer entlangführte. Er eilte darauf weiter bis zum Ende einer Anlegebrücke, wo er hinter einem hohen Holzverschlag Deckung fand und niederkauerte. Allmählich verlangsamte sich sein angestrengtes Atmen so, daß er den Mund schließen konnte. Die Luft über dem Fluß war kalt, und er war froh, daß Kopenhagen-Jack nicht darauf bestand, daß seine Bettler bei kalter Witterung unzureichend bekleidet gingen, obwohl es eine wirksame Note war. Er öffnete die Jacke und das Hemd und untersuchte seine Schnittwunde; sie blutete noch immer ziemlich stark, war aber nicht tief.
Er konnte sich auf diesen Überfall keinen Reim machen. Es konnten nicht Dr. Romanys oder Horrabins Leute gewesen sein, denn er wußte von Jacky, daß sie ihn lebend wollten. Vielleicht war es irgendein Rivale von ihnen gewesen... oder auch nur ein verrückter Einzelgänger, ein Prototyp von Jack the Ripper. Vorsichtig befühlte er den langen Schnitt. Er konnte Gott danken, daß Horrabins Leute im rechen Augenblick zur Stelle gewesen waren.
Er knöpfte Hemd und Jacke wieder zu und inhalierte versuchsweise, um das Fassungsvermögen seiner Lunge zu prüfen. Obwohl hinter seinem Brustbein ein stechender Schmerz war und er zweifellos die bisher stärksten Prellungen seines Lebens davongetragen hatte, gab es beim Einatmen weder ein Kratzen noch ein Gefühl unnatürlicher Beengung; der Spazierstock des bösartigen alten Mannes hatte wahrscheinlich
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