Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
und sickerte hinein. Ihr nächster Atemzug war der letzte, bevor sie in die Bewusstlosigkeit glitt, aber selbst, als alles vor ihren Augen dunkel wurde, konnte sie ihn noch sehen.
Lenk, dessen Haut so grau war wie die eines Ertrunkenen, und dessen blaue Augen brannten; Augen ohne Pupillen.
»Funktioniert es?«
Asper spürte Lenks Blick so deutlich, dass sie fürchtete, seine Intensität würde ein Loch in ihren Schädel brennen. Er sah zwischen der Priesterin, die schwitzend mit verschränkten Händen die Brust ihrer Patientin massierte, und der Shict, die ohne zu atmen auf dem Boden lag, hin und her.
Asper behielt ihre Gedanken jedoch für sich; es kam ihr geschmacklos vor, ihm zu sagen, dass seine Sorge um seine sterbende Gefährtin sie etwas nervte.
»Ich weiß es noch nicht.« Sie legte zwei Finger an Katarias Kehle. »Diese Art von Behandlung wirkt bei Ertrunkenen, aber nur, wenn man sie rasch aus dem Wasser holen kann.« Kein Puls. Asper hielt den Kopf gesenkt, um ihre finstere Miene zu verbergen. »Ich habe wirklich keine Ahnung, ob es auch bei jemandem wirkt, der von einem Dämon ertränkt wurde.«
»Versuch es …«
»Ach so, das willst du von mir?« Sie fauchte ihn über die Schulter hinweg an. »Ich lege ihr nicht zu deinem Vergnügen meine Hände auf die Brust! Tritt zurück, Dummkopf!«
Er nickte schwach und wich zwei Schritte zurück. Seine Bereitschaft zu gehorchen bestürzte sie. Es sah dem jungen Mann überhaupt nicht ähnlich, in einer solchen Situation
freiwillig klein beizugeben. Andererseits, dachte sie, ist es auch genauso untypisch für ihn, irgendein Interesse am Tod eines anderen zu zeigen. Und doch schien er dem Tode fast ebenso nahe wie die Shict, und er schlich um ihren Leichnam, denn das würde sie schon bald sein, wie ein Hund um seinen sterbenden Herrn.
Asper hütete sich jedoch, ihm das zu sagen.
Allerdings war sie stark versucht, ihn aufzufordern, sie endlich nicht mehr anzustarren. Sein Blick bohrte sich in ihren Hinterkopf, in dieselben Stellen, wo sie schon früher Blicke gespürt hatte. Blicke von Müttern mit fiebernden Kindern, von Vätern vergewaltigter Töchter, Blicke, die die ersten Narben auf ihrer Kopfhaut hinterlassen hatten. Soldaten mit verwundeten Kameraden und Söhne kränkelnder Eltern hatten diese Kerben noch tiefer gegraben.
Lenks Blick jedoch ging ihr tiefer unter die Haut. Er durchdrang Haar, Fleisch, Blut und Knochen und reichte bis in die tiefsten Winkel ihres Verstandes. Sie spürte, dass er nicht nur sie sah, sondern auch, wie ihr Gehirn funktionierte.
Deshalb wusste er auch, dass sie diese Shict nicht retten konnte.
NEIN!, schrie sie sich innerlich zu. Denk so etwas nicht. Du schaffst das. Diese Hände haben bereits zahllose Menschen geheilt. Diese Hände …
Ihr Blick glitt zu ihrer linken Hand, die schlaff auf dem Bauch der Shict lag. Sie zuckte plötzlich verführerisch. Du könntest das beenden, das weißt du, dachte sie fast abwesend. Nur ein bisschen Druck, wie du es bei dem Froschwesen gemacht hast. Und dann… peng! Alles vorbei! Dann braucht sie nicht mehr zu leiden…
»Nein, nein, nein. NEIN!«
Sie ignorierte die besorgten Blicke, die sich auf sie richteten, ignorierte ihre Hand, ignorierte alles bis auf Katarias friedliche Miene und ihr ruhendes Herz.
»Ich schaffe das«, murmelte sie und begann von Neuem, die Brust der Shict zu massieren. »Ich schaffe das, ich schaffe
das.« Ihre monotone Wiederholung tröstete sie, so sehr, dass sie kaum die Träne bemerkte, die sich in ihrem Augenwinkel bildete. »Bitte, Talanas, lass mich das schaffen …«
Lenk wandte den Blick keine Sekunde von Aspers Rücken und sah, wie der Schweißfleck auf ihrer Kutte größer wurde.
Es fiel ihm sehr schwer, dem Drang zu widerstehen, sich neben die Priesterin zu knien und seine Hilfe anzubieten, falls es etwas gab, das er hätte tun können. Er war daran gewöhnt, Dinge zu regeln. Er schlichtete die Kämpfe zwischen seinen Gefährten, schloss die Vereinbarungen mit seinen Auftraggebern ab und übernahm die Verantwortung dafür, harten Stahl in weiches Fleisch zu rammen.
Und genau so sollte es auch sein.
Er sollte auch in der Lage sein, dies hier zu regeln.
Das Geräusch von Metall, das auf Haut kratzte, war beinahe unerträglich laut. Er warf einen mürrischen, finsteren Seitenblick auf seinen Gefährten. Denaos jedoch achtete nicht auf den jungen Mann, sondern fuhr fort, seine Fingernägel mit einem winzigen Messer zu säubern. Bis Lenks
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