Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
vernünftig anzunehmen, dass wir einer Kreatur mit einem noch schlimmer klingenden Namen erst recht nichts anhaben können. Zweitens«, er deutete über die Schulter auf die Reste des Gemetzels am anderen Ende des Strandes, »hat jemand anders bereits versucht, sie auszumerzen, und zwar mit recht wenig Erfolg.«
»Du sprichst von den Langgesichtern«, sagte Grünhaar.
»Anscheinend kommen die auch ganz gut herum.« Denaos verdrehte die Augen.
»Ich habe sie beobachtet, aus weiter Ferne. Ich sah das Feuer und das Eis, mit dem sie das Land verheerten.« Sie
lehnte sich zurück, als würde sie in angenehmen Erinnerungen schwelgen. »Sie sind groß und mächtig, haben purpurne Haut und Augen in der Farbe von Milch. Es waren viele, alles Weibchen, bis auf ein Männchen; der war es, der das Abysmyth mit einem Speer aus Eis aufspießte.«
»Ich gehe davon aus, dass die Langgesichter die Fibel nicht erbeutet haben.«
»Nein. Die Diener von Machtwort hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits in ihren Tempel geschafft.«
Lenk sah sie scharf an. »Was für einen Tempel?«
Sie betrachtete ihn ausdruckslos. »Ich zeige ihn dir.«
»Also, das ist …« Denaos fand nicht die richtigen Worte, um den Anblick zu beschreiben, der sich ihm darbot. »Das ist … also…«
»Beeindruckend«, murmelte Lenk.
»Bedrohlich«, nickte Dreadaeleon.
»Beängstigend«, erbleichte Asper.
»Bravo«, sagte der Assassine. »So ungefähr.«
Wie die Hand eines ertrinkenden steinernen Giganten, der vergeblich am Himmel kratzte, während er seinen letzten Atemzug tat, erhob sich der Turm aus Granit und kratzte an den orangefarbenen Wolken. Eine Schicht aus Algen überzog den Stein, und die Löcher in der verwitterten Gesteinsschicht wirkten wie felsige Wunden.
Brackige Wellen schwappten um das Fundament des Turms und entblößten bei jedem Sinken das mächtige Riff, auf dem er errichtet worden war. Jedes Mal, wenn die Wellen von den Steinen zurückwichen, glitzerte ein spitzer Reigen aus rostigen Speeren, Klingen und Dornen, die in den Stein eingelassen waren, wenig einladend in der untergehenden Sonne.
Die Mägen der Gefährten zogen sich zusammen angesichts der beeindruckenden Menge von Leichen, die auf den roten Spießen steckten und sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung befanden. Darunter waren auch etliche unvorsichtige
Meerestiere; der Großteil der Kadaver wies jedoch Arme mit Fingern, Füße mit Zehen und Körper auf, an denen noch Kleidungsreste hingen.
Lenk fiel es immer noch schwer zu begreifen, warum sie den Turm nicht schon längst gesehen hatten. Obwohl er auf der gegenüberliegenden Seite der Stelle lag, an der sie auf der Insel Schiffbruch erlitten hatten, war er so groß, dass er über Meilen hätte zu sehen sein müssen.
»Das ist ihr Tempel«, erklärte Grünhaar und schüttelte sich. »Dort vollziehen sie ihre Riten.« Sie betrachtete den Turm finster. »Vor langer Zeit lebten hier Sterbliche. Damals nannten sie ihn Eisentrutz.«
»Und sie sind nicht mehr hier?« Asper drehte den Kopf zur Seite, als die Wellen sich erneut zurückzogen. »Wer … oder was hat sie vertrieben? Die Dämonen?«
»Andere Menschen.« Denaos kam der Sirene zuvor. »Eisentrutz besitzt in gewissen Kreisen einen recht schillernden Ruf.«
»Kreise, die mit Tätigkeiten beginnen und enden, von denen zu hören mir zweifellos nicht gefallen wird«, murmelte die Priesterin. »Aber sprich weiter.«
»Also gut.« Der Assassine zuckte mit den Schultern. »Wie ihr wahrscheinlich wisst, ist Rum der Hauptexportartikel von Toha, weil nur dort dieses Getränk hergestellt wird. Infolgedessen hat Toha den anderen Nationen, die dieses Gesöff haben wollten, so viel Steuern abgeknöpft, wie sie nur konnten. Und da die Piraten den Gewinn witterten, haben sie angefangen, illegal erbeutete Fässer weit billiger zu verschachern. Türme dieser Art«, er deutete auf das Bauwerk, »waren eigentlich Lagerhäuser und Trutzburgen gegen die Flotte aus Toha.« Er deutete auf die von Wurfgeschossen zerstörten Zinnen des Turms. »Ihr könnt sehen, was die Katapulte der Flotte davon hielten.«
»Verstehe.« Asper schluckte. »Und die … Spieße?«
»Vor allem dienten sie zum Schutz. Und in zweiter Linie, um Exempel zu statuieren.«
»Ekelhaft.« Sie verzog das Gesicht. »Wie abscheulich, so viele Leben für ein Getränk zu vergeuden, das keinen anderen Zweck erfüllt, als ehrbare Menschen in schäbige Huren und Säufer zu verwandeln.«
»Das ist nicht
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