Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
ganz gerecht«, widersprach Denaos brüsk. »Dasselbe könnte man auch von jeder Religion behaupten.«
»Du vergleichst tatsächlich einen Tempel und den Glauben an Götter mit Schmuggelei?«
»Für mich ähneln sie sich ziemlich. Alkohol und Religion sind die beiden Dinge, für die Menschen bereitwillig töten und sterben.«
»Ganz gleich, wer hier warum gelebt hat«, unterbrach Lenk die Diskussion und trat einen Schritt vor, »jetzt jedenfalls scheint der Turm neue Bewohner zu haben.«
Es war gut zu erkennen, was er meinte.
Vor der untergehenden Sonne war die wimmelnde Krone aus weißen Federn und riesigen, hervorstehenden Augen auf dem Bauwerk gut zu erkennen. Die Kreaturen drängten sich in großer Zahl darauf; ihre gekrümmten Nasen blitzten auf, und ihre gelben Zähne klapperten ununterbrochen.
»Omen«, murmelte er.
»Ach ja«, bemerkte Grünhaar kalt, »der Chor.«
Bevor Lenk etwas sagen konnte, fiel ihm etwas ins Auge. In der Mitte der zusammengedrängten Masse der Parasiten pulsierte und wand sich etwas besonders Großes, Weißes. Er kniff die Augen zusammen. Aber obwohl es größer war, als eine gefiederte Kreatur sein konnte, vermochte er die Gestalt nicht genau zu erkennen. Er blickte über die Schulter und winkte Kataria zu sich.
»Sieh dir das mal an.«
Sie nickte, trat neben ihn und musterte den Turm scharf. Die anderen beobachteten sie und registrierten erwartungsvoll die Grimasse auf ihrem Gesicht.
»Was ist es?«, brach Lenk schließlich den Bann.
»Lebendige Riffid«, fluchte sie, »ich habe keine Ahnung.« Sie runzelte die Stirn, während sie weiter hinübersah und
versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Es ist … groß … sieht aus wie eines der Omen, nur … größer. Ich weiß nicht … Es hat Hände und ein Gesicht, aber … es ist irgendwie knochig und steht auf dem Kopf.« Sie kratzte sich das Kinn. »Also … zur Hölle!«
»Eine gute Beschreibung«, meinte der junge Mann. »Wie viele Omen, was schätzt du?«
»Mindestens zwanzig, aber sie bewegen sich ständig, deshalb kann ich sie nicht genau zählen.«
»Aasfresser.« Grünhaars Stimme troff vor Abscheu. »Sie ernähren sich von den Toten und gedeihen durch Leiden. Was du zwischen ihnen gesehen hast, Spitzohr, ist ihre … erleuchtete Gestalt.«
»Ihre erleuchtete Gestalt?« Asper riss die Augen auf. »Omen … verändern ihre Gestalt?«
»Wenn sie fressen, ja. Sie sind schließlich Boten, und wenn sie sich verändern, wächst die Kraft der Krakenkönigin.« Ihre Miene verdüsterte sich. »Eine davon hier zu sehen, und das so bald, ist … besorgniserregend.«
»Sie scheinen uns nicht bemerkt zu haben«, erklärte Kataria.
»Das werden sie auch nicht, sofern wir Abstand halten«, gab Grünhaar zurück. »In ihrer kleinsten Gestalt sind sie hirnlos und achtlos. Die größere Gestalt soll dafür sorgen, dass sie nur das angreifen, was sie angreifen sollen.«
»Ein Wachhund.« Lenk nickte. »Mit einem Schwarm fleischfressender Möwen. Das ergibt unter den gegebenen Umständen durchaus einen Sinn.«
»Ganz zu schweigen von einem Haufen schmutziger, mit Leichen gespickter Spieße«, knurrte Kataria. »Und wenn die Omen tatsächlich Boten sind, dann lässt ihre Zahl darauf schließen, dass sich in dem Turm einige Abysmyths tummeln.«
»Und dorthin wurde die Fibel geschafft.« Lenk biss sich auf die Unterlippe und seufzte. »Wunderbar.«
»Wirklich wunderbar!« Denaos klatschte in die Hände.
»Rostige Stacheln, die uns aufspießen, Omen, die uns hinterher verspeisen, und Abysmyths, die nur darauf warten, uns zu zerfleischen, falls wir Glück gehabt haben.« Er kicherte. Es klang ziemlich hysterisch. »Falls wir wirklich Glück haben, werden wir von einem Hai gefressen, bevor wir auch nur einen Fuß auf das Riff gesetzt haben.« Sein Kichern schlug in grelles Gelächter um. »Nein, wenn Silf uns wirklich liebt, wird er uns mit einem Blitzstrahl vernichten, bevor wir es auch nur versucht haben.«
Er breitete die Arme aus und blickte erwartungsvoll zum Himmel empor. Nichts passierte, außer dass er vorwärtstaumelte, als Gariath sich nach vorn drängte.
»Der Tod aus der Hand eines schwächlichen Gottes für eine schwächliche Ratte«, grollte er, »ist noch das Beste, worauf du hoffen kannst.«
»Lasst uns nichts überstürzen«, unterbrach Kataria sie. »Niemand hat bis jetzt davon geredet, dass wir hineingehen.«
»Selbstverständlich werden wir hineingehen!«, fuhr Denaos sie an. »Es ist vollkommen
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