Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
großes Lob«, murmelte Lenk. »Du sagtest, du bräuchtest unsere Hilfe?«
»Und ich danke dir dafür.«
»Spar dir deinen Dank«, erwiderte er. »Ich habe nicht gesagt, dass wir dir helfen.«
Sie lächelte. Lenks Hand glitt unwillkürlich zum Knauf seines Schwertes. Etwas in dem Blick der Kreatur war beunruhigend.
Seine Gedanken streiften unwillkürlich zu dem Abysmyth zurück. Diese Kreatur hier drückte mit einem Zucken ihrer fahlblauen Lippen mehr Emotionen aus, als die Monstrosität mit all ihrer Kakofonie von Schreien hatte äußern können.
»Euer … Gewerbe ist mir nicht unbekannt.« Sie zuckte bei seiner Grobheit nicht einmal mit den Wimpern. »Ihr seid … Abenteurer, richtig? Abenteurer verlangen Entschädigung für ihre Mühen. So wird es auch im Meer gehalten. Was gegeben wird, muss verdient werden, und was verdient wurde, wird nicht leichtfertig weggegeben.«
»Wenn das eine nette Umschreibung für Gold ist, bin ich interessiert.« Denaos beäugte ihr durchscheinendes Gewand. »Ich wäre allerdings noch weit versuchter, dir zu helfen, wenn du vorhättest, mir zu zeigen, wo an deinem Körper du es versteckst, wenn ich das so sagen darf.«
»Ich habe keinerlei Reichtümer für dich, Langbein.« Sie schüttelte ihr Haar. »Was ich jedoch anbiete, ist weit wertvoller als Gold. Es ist etwas, das ihr verloren habt.«
Lenk beugte sich erneut vor. Er spürte das Wort auf ihrer Zunge, wie ein Hedonist eine Zunge spürte, die auf etwas anderem lag.
»Ich bin darüber informiert«, sie sprach so langsam, dass er fast verrückt wurde, »dass ihr eine Fibel sucht.«
Ihre Worte lösten ein kollektives Anspannen von Pobacken aus.
Und auch keine Miene blieb bei ihren Worten unbewegt. Die Gesichter der Gefährten leuchteten in allen Schattierungen von Gier, Hoffnung und Erwartung. Selbst Kataria schien die Augen aufzureißen, wenn auch vielleicht nur wegen der Reaktion ihrer Gefährten. Lenk wusste zwar nicht, wie seine Miene aussah, aber er bemühte sich um einen versteinerten Ausdruck. Als jemand das letzte Mal eine Fibel erwähnt hatte, wären Kataria und er beinahe von einem gigantischen Dämon abgeschlachtet worden.
Seitdem betrachtete er die Welt mit Argwohn.
»Was weißt du darüber?«
»Was mir von dem jungen Gelehrten erzählt wurde, und was ich daraus geschlossen habe«, antwortete die Sirene. »Die Fibel ging verloren. Vor allem du wünschst, sie wiederzufinden. Ich empfinde gleichzeitig Trauer und Freude für euch.«
Lenk verzog das Gesicht. Gute Nachrichten fingen nie mit solchen Formulierungen an.
»Du weißt nicht, wo sie ist?«, erkundigte er sich.
»Ich weiß, wo sie ist«, widersprach sie. »Ich habe viel gesehen und von den Fischen gehört, bevor sie vor den Dämonen flüchteten.« Sie nickte, als könnte sie seine Gedanken in seinem Blick lesen. »Die beiden, die ihr auf dem verbrannten Sand entdeckt habt, waren nur das Niesen und das Husten einer Krankheit mit vielen, vielen Symptomen.«
Lenk verspürte nicht die geringste Lust dazu, fragte aber dennoch. »Wie viele?«
»Viele«, antwortete sie schlicht. »Sie sind aus dem Abgrund des Ozeans aufgestiegen, den die Seemutter vergessen hat. Sie haben das Wasser vergiftet, so wie sie alles vergiften, und das Meer geschwärzt, sodass keine lebende Kreatur zwischen dieser Insel und ihrem Tempel übrig geblieben ist.«
Ihre Stimme veränderte sich plötzlich. Was als ein melodisches, flüssiges Lied begonnen hatte, das lautlos durch seine Ohren sickerte, wurde plötzlich schwer und aufgebläht, eine salzgeschwängerte Woge, welche die Luft vom Himmel zu saugen schien.
»Die Fische sind die Ersten, die flüchten, weil sie dem Gift am nächsten sind. Die Vögel werden vom Himmel vertrieben. Die klugen Tiere verbergen sich, wo sie können. Die tapferen werden sterben. So wie alles, was auf dem Lande wandelt. Sterbliche ertrinken. Die Himmel ertrinken. Die Erde wird ertränkt. Es wird eine unheilige Welle geben, die aus einer nichts Gutes wollenden Flut entspringt. Nichts wird übrig bleiben… bis auf endloses Blau.«
Endloses Blau.
Diese Worte waren bereits über weit widerlichere Lippen gekommen. Lenk packte sein Schwert fester, umklammerte es, ließ es jedoch auf dem Schoß liegen. Später war noch Zeit, über Mysterien zu sinnieren.
»Komm auf den Punkt«, stieß er düster hervor. »Was hat all das mit der Fibel zu tun?«
»Betrachte es als eine Warnung«, erwiderte sie gelassen, »die allen Kindern der Seemutter überbracht
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