Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
die staubige, erstickende Luft in den Frachträumen und das melancholische Knarren des Schiffes wirkte der Raum wie eine Grabkammer.
Sie erinnerte sich, dass er heute Morgen vom Gelächter der Seeleute und Passagiere erfüllt gewesen war …
Sich um die Toten zu kümmern war für sie die unangenehmste Aufgabe einer Priesterin von Talanas. Sie war als Dienerin des Heilers dazu verpflichtet, und dazu gehörte auch, dass sie die Bestattungsriten abhalten und die trauernden Hinterbliebenen trösten musste. Während ihrer Ausbildung im Tempel hatte sie hauptsächlich Letzteres übernommen, während die weniger Empfindlichen sich um die anderen Aufgaben gekümmert hatten.
Die Mannschaft der Gischtbraut würde aber eher selbst sterben, bevor sie sich von ihr trösten ließ. Und Miron der Unparteiische, der einzige andere Mensch ihres Glaubens auf diesem Schiff, war verschwunden, kurz nachdem er diese Bestie vertrieben hatte.
Sie seufzte und segnete den Leichnam des Seemanns;
wenn es denn getan werden musste, war es besser, sie tat es, anstatt ihn ohne Beistand ins Nachleben übergehen zu lassen.
Leise ging sie durch die Halle und bemerkte auf dem Hals eines anderen bandagierten Leichnams Blut, das das reine Weiß der Binden befleckte. Ihre Miene verfinsterte sich erneut; dieser arme Mann würde vielleicht noch leben, wenn Gariath in der Lage gewesen wäre, die Unterschiede zwischen den Menschen etwas besser zu erkennen. Sie nahm sich vor, ihn neu zu verbinden, falls sie Argaol noch mehr Verbandszeug abringen konnte.
Das Geräusch eines Federkiels, der über Pergament kratzte, brach die bedrückende Stille. Sie drehte sich zu dem Tisch herum, an dem Dreadaeleon saß und eifrig etwas notierte. Sie verzog das Gesicht angesichts der Unbekümmertheit, mit der er neben dem bandagierten Leichnam saß wie neben einem besonders stillen Gelehrten in einer Bibliothek.
»Bist du fertig?«, erkundigte sie sich und verscheuchte den Gedanken.
»Fast«, antwortete er und notierte hastig die letzten Informationen. »Wisst Ihr, welchen Glauben er hatte?«
»Er war ein Zamanthraner, denke ich«, erwiderte Asper. »Seeleute, Matrosen, Fischer … das sind sie normalerweise alle.«
»Also gut.« Er beendete seine Aufzeichnungen mit einem entschlossenen Tupfer des Federkiels, hielt das Pergament hoch und las laut vor: »Roghar ›Rogrog‹ Allensdon, geboren in Muraska, diente an Bord der Gischtbraut, einem Handelsschiff, unter Kapitän S. Argaol, überzeugter Anhänger Zamanthras.« Er runzelte leicht die Stirn. »Gefallen bei der Verteidigung seines Schiffes. Sechzehn Jahre alt.«
Seufzend rollte er das Pergament zusammen und band einen groben Faden darum. Dann beugte er sich über den bandagierten Leichnam und schob das Pergament unter die gekreuzten Hände. Asper seufzte ebenfalls, als sie auf den Haufen von Schriftrollen blickten, die sich auf der Bank
neben ihm stapelten. Beide schüttelten ernst die Köpfe, während sie zwischen den Tischen umhergingen, um jedem Toten seine Todesrolle zuzustecken.
Asper zögerte, als sie die letzte Rolle unter steife bandagierte Arme schob. Dreadaeleons Schlurfen hallte durch die Messe.
»Dread.« Das Schlurfen verstummte. »Danke, dass du mir hilfst.«
»Das ist selbstverständlich.« Er ging einen weiteren Schritt, bevor er erneut stehen blieb. »Ich nehme an, das war meine Pflicht, da ich einer der wenigen an Bord bin, die des Lesens und Schreibens mächtig sind.«
Sie lächelte über seine Bemerkung. »Ich … ich hoffe einfach nur, dass du mir nichts nachträgst, ich meine wegen dem, was ich vorhin zu dir gesagt habe.«
»Ich habe genauso schlimme Dinge gesagt«, erwiderte er. »Wir alle haben das getan. Ist nicht der Rede wert.«
Sie spürte seinen Blick, der ihr so vertraut war: Er sah sie mit großen dunklen Augen an, die glänzten wie bei einem jungen Welpen. Normalerweise, in jeder anderen Situation, hätte es sich beruhigend angefühlt, wenn er sie so ansah. Aber in der Bibliothek der Bandagen und Schriftrollen widerstand sie dem Drang, diesen Blick zu erwidern, und wartete, bis sie sein Schlurfen wieder hörte.
»Also, was war sie?«, fragte er plötzlich.
»Wie bitte?«
»Die Kreatur«, erklärte er. »Diese … Monstrosität. War es ein unheiliger Dämon aus der Hölle? Oder der Knecht eines zornigen Gottes? Was war es?«
»Wie kommst du darauf, dass ich das weiß?« Sie sah ihn böse an. »Steht denn nichts in deinen Büchern darüber?«
»Ich habe nur ein Buch«,
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