Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Silber, Violett und Rot schien in dem endlos tiefen Smaragdgrün ihrer Augen zu versinken.
»Du starrst mich an«, bemerkte sie, während ein schwaches Lächeln an ihren Mundwinkeln zupfte.
»Stimmt.« Er richtete sich auf und war sich schmerzlich bewusst, dass er kaum größer war als sie. Er räusperte sich erneut und warf sich in die Brust. »Und? Was willst du dagegen unternehmen?«
»Ich muss nichts dagegen unternehmen«, erwiderte sie selbstgefällig. »Starr mich an, so viel du willst. Ich weiß, dass ich in den kleinen runden Augen der Menschen ein wahres Wunder bin.«
»Meine Augen sind nicht klein und rund.« Er widerstand der Versuchung, besagte Augen zu Schlitzen zusammenzukneifen.
»Sind sie wohl. Außerdem ist dein Haar strähnig, und du bist klein und drahtig.«
»Pah, und du riechst.«
»Tatsächlich?« Sie streckte die Hand aus und gab ihm einen spielerischen Schubs. »Und wie rieche ich?«
»Wie Gar…« Er zögerte, als ihm eine bessere Beleidigung einfiel. Er erwiderte den Schubs und grinste selbstgefällig. »Wie Denaos.«
Ihr Blick wurde bei seinen Worten etwas runder. Fauchend schubste sie ihn erneut.
»Nimm das sofort zurück!«
»Nein.« Er versetzte ihr einen Stoß. »Du nimmst das zurück.«
»Wer sollte mich dazu zwingen? Ein Winzling mit dem Haar eines Greises?«
»Dich zwingen? Ich kann dich nicht mal zwingen zu baden, geschweige denn, etwas zu widerrufen.« Er beugte sich vor, bis er die Spiegelung seines höhnischen Grinsens in ihren Augen sehen konnte. »Außerdem, was bedeuten irgendjemandem schon die Worte einer Wilden?«
»Sie bedeuten offenbar genug, eine wandelnde Plage dazu zu bringen, den armseligen Versuch zu unternehmen, Mut vorzutäuschen.« Ihre höhnische Grimasse spiegelte seine perfekt, bis auf das gruselige Kräuseln ihrer Lippen. »Wenn sie dir nichts bedeuten, warum verziehst du dich dann nicht einfach?«
»Ich kehre Wilden niemals den Rücken zu.«
»Shict kneifen nicht vor buckligen Affen, die versuchen, aufrecht zu gehen.«
»Ich bin kein …« Er blinzelte. »Moment mal … was?«
Sie zuckte grinsend mit den Schultern. »Das hat mein Vater mich gelehrt.«
Er musste lächeln. Sein Fuß zuckte, berührte ihren, und er nahm plötzlich wahr, wie dicht sie beieinanderstanden. Er fühlte die Wärme ihres Atems, spürte, wie ihre Ohren bei jedem Schlag seines Herzens zuckten, als hörte sie durch all den Schmutz auf seiner Haut, durch all sein Fleisch, wie er in seinem Innersten funktionierte.
»Zieh ihn zurück.« Er flüsterte, ohne darauf zu achten, wie atemlos seine Stimme klang.
Ihr Fuß bewegte sich nicht. Der Wind umheulte sie, sang ein Trauerlied für die Toten, das jedoch von ihnen nicht gewürdigt wurde. Fast boshaft wehte er ihnen ihre silbernen und goldenen Locken um die Gesichter. Die Luft zwischen ihnen jedoch veränderte sich nicht. Er spürte die fast unmerkliche Bewegung von Hitze, als sich ihre Brust bei jedem
Atemzug hob, die Kühle, als ein weiterer Schweißtropfen sich auf ihrem blassen Hals bildete und sich anschickte, bis zu ihrem Bauch hinabzulaufen.
»Zieh du ihn doch zurück.« Ihre heisere Stimme war unter dem Murmeln des Windes kaum zu hören.
Die Sterne funkelten jetzt furchtlos am Himmel, und das Firmament schimmerte in dunklem Violett. Die Wolken waren schon lange zu schwarzen Segeln am fernen Horizont geworden. Hinter Lenk küsste der Himmel das Meer, und die Welt bewegte sich zwischen ihnen.
»Letzte Chance«, flüsterte er.
Vor Lenk wurde die Welt von zwei grünen Sonnen über einem Paar schmaler, leicht geöffneter Lippen ausgelöscht.
»Zwing mich doch.« Sie lächelte.
Einen Herzschlag lang atmeten sie gemeinsam.
»Hör auf.«
Er riss die Augen auf, und sein Hals wurde eiskalt, gerade als er ihn langsam vorgebeugt hatte.
»Uns anzustarren.«
Er hörte die Stimme nicht; er fühlte sie, spürte, wie sie mit eisigen Fingern durch sein Hirn kroch.
»Sie starrt uns an.«
»Was ist los?«
Katarias Ohren richteten sich auf, als sie etwas wahrnahm. Kann sie es hören?, fragte sich Lenk, hört sie, wie es durch meinen Schädel hallt?
»Hör auf!« , befahl er.
»Bring sie dazu, aufzuhören!«
»Hör auf.« Seine Stimme klang klagend.
»Womit soll ich aufhören?«
»Bring sie dazu, aufzuhören!«
»Hör auf!«
»Womit , verdammt?«
»BRING SIE DAZU, AUFZUHÖREN!«
»HÖR AUF, UNS ANZUSTARREN!«
Die Matrosen blickten von ihrer Arbeit auf und sahen
ihn erstaunt an, als sein Schrei über die Leichen
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