Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
das Schwert summte fröhlich und erstickte die Schreie
und das Reißen der Muskeln. Lenk drückte es immer weiter hinab, bis er spürte, wie es feststeckte.
Inzwischen war die Kreatur leblos und wurde nur noch von Lenks Griff um das Schwert gehalten, das sie aufspießte.
»Das«, erklärte die Stimme, »ist, was wir tun.«
Das hätte sich falsch anfühlen sollen. Er sollte den Rausch der Schlacht spüren, den Donner seines Herzens. Er sollte sich verängstigt fühlen, besorgt, begeistert, erleichtert.
Er sollte irgendetwas empfinden, irgendetwas anderes als Ruhe, das Gefühl von Ganzheit.
Doch während die Stimme verklang und mit ihr die Kälte schwand, hatte er weiter dieses Gefühl von Ganzheit. Seinen Zweck, das wurde ihm klar, hielt er in den Händen, er kniete leblos vor seinen Füßen. Er atmete leicht, selbst als das Fieber zurückkehrte. Die Verzweiflung und die Furcht waren verschwunden und hatten nur einen jungen Mann und sein Schwert zurückgelassen.
Sein blutiges, so blutiges Schwert ...
Seine Sinne kamen zurück, als er das Geräusch einer Bogensehne hörte, die gespannt wurde. Er blickte auf, den Mund zu einem erstaunten Rund geöffnet.
»Ach richtig«, flüsterte er. »Da sind ja zwei.«
Es passierte sehr schnell: das Summen der Bogensehne, das Pfeifen des Pfeils, das Durchbohren seiner Haut. Er spürte, wie er sich in seinen Schenkel grub, in die Nähe seiner Wunde. Er fiel auf die Knie, zusammen mit dem Leichnam des anderen Echsenmannes, und ließ sein Schwert los.
»Ah«, presste er durch den Schmerz hervor. »Khetashe, das tut weh!« Er hob den Blick zu der tätowierten Echse, die auf ihn zukam. »Aber ich glaube, du hast vorbeigeschossen. Der Pfeil hat keinen Knochen getroffen.«
Die Echse schien ihn nicht zu hören; jedenfalls interessierte sie sich nicht für seine Worte, sondern nockte beiläufig einen weiteren Pfeil ein.
»Ist schon komisch.« Lenk kicherte hysterisch. »Noch vor wenigen Augenblicken habe ich es mir gewünscht, sogar
erhofft. Jetzt jedoch habe ich deinen hässlichen, kleinen Freund hier umgebracht und möchte weiterleben, damit ich dich auch umbringen kann. Aber ...« Er kreischte vor Lachen. »Aber du wirst mich töten. Ist das jetzt Ironie oder Poesie?«
Die einzige Antwort darauf war eine Bogensehne, die gespannt wurde.
»Ich sollte eigentlich keine Angst haben«, flüsterte er, »aber ... ich werde das Gefühl nicht los, dass ich da irgendetwas zu spät gelernt habe.«
»Zu schade für dich«, antwortete die Echse fehlerfrei in menschlicher Sprache.
»Oh.« Lenk blinzelte. »Sogar zwei Dinge.«
Worte und Bogen antworteten mit einer erbarmungslosen Stimme. »Schande.«
Darauf wusste Lenk keine Antwort; um sein Leben zu betteln, erschien eher heuchlerisch, jedenfalls mit dem toten Gefährten der Kreatur vor sich. Trotzdem fiel es ihm angesichts des Pfeils schwer, stoisch zu bleiben. Da ihm nichts anderes blieb, versuchte er einen letzten Gedanken zu fassen, auf dem er ins Nachleben reiten konnte.
Das Einzige, was ihm einfiel, war: Tut mir leid, Kat.
Ein Kreischen drang in seine Ohren. Aber es war nicht das Kreischen eines Pfeils. Das wurde ihm klar, als er sah, wie die Kreatur sich schüttelte. Es war das Geräusch, mit dem ein langer, angespitzter Stock seinen schnellen und brutalen Flug recht unvermittelt in der Schulter des Echsenmannes beendete. Der Pfeil fiel zu Boden, und der Echsenmann kreischte, als er zurücktaumelte und den improvisierten Speer in seiner Schulter packte.
»Lenk«, ertönte eine ferne Stimme. »Beweg dich.«
»Was?« Seine Stimme zitterte.
»Runter mit dir, Schwachkopf! «
Die Gestalt stürzte sich über ihn, drückte ihre Hände auf seine Schultern und zog sich über seinen Kopf hinweg. In einem Blitz aus Braun und Weiß prallte sie auf die Kreatur und riss sie beide zu Boden.
Lenk blinzelte, unfähig, aus diesen wilden Bewegungen vor ihm schlau zu werden. Er sah etwas Grünes, etwas Helleres als die Haut der Echse in einem Wirbelwind aus blassem Weiß und Gold. Die Kreatur kreischte unter der anderen Gestalt, wehrte sich gegen Hände und Zähne.
Ihr Kreischen steigerte sich zu einem schrecklichen Crescendo. Dann blitzte helles Rot auf.
Blut, erkannte Lenk. Dann bemerkte er, dass sein eigenes Bein warm und nass war. Blut! Es strömte in kleinen Rinnsalen aus der gezackten Wunde, die der Pfeil hinterlassen hatte, lief über seine Schenkel in den Sand. Wie lange blute ich schon? Warum hat es mir keiner gesagt?
Der
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