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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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den Knöcheln das Kreuz und seufzte auf die Art, der normalerweise ein Pfeil im Hals und ein flaches Grab folgten. »Und das ist nicht fair.« Sie ging langsam davon, schlich in den Wald. Am Rand des Unterholzes zögerte sie. »Ich werde mich nicht entschuldigen, Lenk, für nichts.«
    »Das nehme ich dir nicht übel«, behauptete er.
    Jetzt, zum ersten Mal, sah sie ihn an. Es war ein flüchtiges smaragdgrünes Blitzen, kaum länger als ein Atemzug, in dem sich ihre Blicke trafen. Und noch weniger Zeit verging, bis sich ihre Miene verfinsterte und sie erneut wegsah.
    »Doch«, erklärte sie. »Das tust du.«
    Er protestierte nicht. Weder, als sie das sagte, noch, als sie verschwand.

Warmes Wasser tröpfelte auf seine Stirn, lief über einen schmalen Wangenknochen auf sein Kinn. Er fing den Tropfen mit einem purpurnen Finger auf, bevor er herunterfallen und zwischen den roten und schwarzen Pflastersteinen verschwinden konnte.
    Das Wort dafür war Regen, daran erinnerte sich Yldus. Ansonsten wusste er nur wenig darüber. Es fiel vom Himmel und ließ die Dinge wachsen. Außerdem steckte eine Bedeutung dahinter. Es war ein Symbol für Erneuerung, wusch Makel und Sünden ab und wurde als etwas Heiliges angesehen. Das hatten ihm jene Gefangenen gesagt, die um Wasser gebettelt hatten, vom Himmel, von der Erde, von ihm.
    Er hatte es ihnen nicht gegeben, weil er keinen Sinn darin gesehen hatte. Dort wo er herkam, wuchs nichts. Der Himmel veränderte sich niemals. Als er jetzt jedoch hinaufblickte, fiel Regen in ohnmächtigen Tropfen, die sich orangerot vor den brennenden Dächern der Stadt abhoben. Er fragte sich, woher die Ehrfurcht davor wohl kommen mochte.
    Die Feuer jedenfalls wüteten ungehindert weiter, spuckten ihren Rauch trotzig und rücksichtslos in das demütige Grau des Himmels. Weit entfernt rumpelte es, man nannte es Donner, aber diese Geräusche konnten weder die Schlachtrufe der Frauen noch die kläglichen Schreie des schwachen
und hilflosen Abschaums übertönen, die von ihnen massakriert wurden.
    Er bahnte sich den Weg über die Leichen, hob den Saum seiner Robe an, wenn er über die dicken roten Flecken auf den Pflastersteinen ging. Er warf einen Blick in eine Gasse, runzelte die Stirn, als er das Geräusch der mächtigen Kiefer und das kurzatmige Keckern der Sikkhuns hörte, die sich an den Toten und Langsamen labten. Ihre weiblichen Reiter, die sich schon lange wegen des schwachen Widerstandes langweilten, auf den sie gestoßen waren, und sich kurz darauf zerstreut hatten, führten ihre Reittiere jetzt mit ungehemmter Häme zur Fütterung.
    Verschwenderisch, dachte er. Sinnlos, widerlich.
    Eben weiblich.
    Er überließ ihnen die Toten gern. Sein Interesse galt den Lebenden.
    Oder jedenfalls den gerade noch Lebenden, dachte er.
    Die Straße war schlüpfrig von Blut, mit Asche überdeckt und von Toten und Gebrochenen übersät. Yldus betrachtete das Gemetzel sehr sorgfältig. Er hatte schon mehr gesehen, und weit Schlimmeres, jedenfalls genug, um die subtilen Unterschiede der verschiedenen Pfützen aus hellrotem Leben zu erkennen. Er sah, wo es in feigen Bächen ausgeströmt war, wo sein Strom von Flehen begleitet wurde, das auf taube Ohren stieß, und wo es einfach nur resigniert und verzweifelt vergossen worden war.
    Er hob anerkennend eine Braue, als er einen Blutfleck sah, der hellrot begann und sich dann in Dunkelrot verwandelte, während er auf der Straße verschmiert wurde und eine dicke Spur der Verzweiflung zurückließ.
    Er folgte der Spur aufmerksam, vorbei an Stapeln von zertrümmerten Kisten und eingeschlagenen Fässern, vorbei an dem vergossenen Blut und den zerborstenen Speeren, dem letzten Widerstand, den der Abschaum den Frauen entgegengebracht hatte. Einige waren geflohen. Viele waren geblieben. Nur einer hatte überlebt.
    Als das Pflaster unter Yldus’ Füßen dem Sand wich, hörte er, wie dieses eine Leben seine letzten Atemzüge tat.
    Der Abschaum lag auf dem Sand. Er wirkte unbedeutend, klein, weich, dunkelhaarig, dunkelhäutig, vielleicht etwas dicker als andere. Yldus betrachtete gleichgültig, wie der Mensch weiterhin die Realität seines weichen Fleisches und seiner heraussickernden Körperflüssigkeiten ignorierte, sich über den Sand zog und sowohl Yldus als auch die großen schwarzen Umrisse ignorierte, die ihn umringten.
    Yldus blickte zu den Kriegerinnen der Ersten hoch. Sie waren groß, mächtig; ihre schwarzen Rüstungen verbargen sämtliche Stellen purpurner Haut und waren

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