Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
mein Alter. Pass ja auf. Du weißt, was sie da drin anstellt. Vertreib sie.
Er hätte es tun sollen. Er hätte es auch getan, wenn sich ihre Präsenz in seinem Kopf nicht so richtig angefühlt hätte, so natürlich. Sie hinauszuwerfen kam ihm vor, als würde man einen hervorragenden Wein verschwenden, etwas so Süßes und Duftendes, dass es ein Verbrechen wäre, etwas anderes zu tun, als ihn genüsslich zu trinken.
Dabei machte er sich nicht einmal etwas aus Wein.
»Niemand kann das bewältigen. Weder deine Gefährten noch die Langgesichter«, flüsterte sie in seine Ohren, in seinen Verstand. »Ich brauche deine Stärke, deinen Intellekt, deine Macht. Ich brauche dich.«
»Ich … Das kann ich nicht«, gab er zurück. »Ich bin krank. Ich sterbe. Ich habe keine Macht.«
»Du bist abgelenkt. Du bist zutiefst verunsichert. Das alles sind unbedeutende Dinge.«
»Ah … unbedeutend.«
»Sie bedeuten nichts für dich. Ich kann deine Gedanken beruhigen, dir Klarheit gewähren.« Sie legte die Finger an seine Schläfen, Finger, die sanft das Wasser umzurühren schienen, das sie in seinen Verstand goss. »Ich kann dir die Macht verleihen, mich zu retten.«
»Und … was ist mit Asper?«
»Gib sie auf«, gurrte sie. Irgendwie erschien ihm das plötzlich ganz einfach.
»Sie braucht mich.«
»Die Welt braucht dich. Man wird mit Tränen in den Augen von dir sprechen. Man wird dich respektieren. Tausendfaches Leben gegen eines, tausendfachen Respekt gegen ihren.«
»Sie alle …« Er schloss die Augen und versuchte, es sich vorzustellen. Sie machte es ihm leicht. »Sie würden mich fürchten.«
»Sie werden dich lieben.«
»Wenn ich nur …«
»Komm mit mir.« Ihr Atem war ein berauschender Duft, der in seine Nase stieg, noch während ihre Stimme seine Ohren erfüllte, alles von ihr in ihn eindrang. »Nach Jaga. Lass mich dir Macht geben. Lass mich dir die Welt zu Füßen legen.«
»Und sie … sie würde …«
»Sie wird sterben.« Sie sagte das mit all dem Duft, mit all dem süßen Wasser, mit allem, was die Stimme der Sirene so berauschend machte. »Sie wird sterben. Sie braucht dich nicht. Sie bedeutet nichts. Du dagegen bist …«
Es geschah wortlos. Es passierte fast ohne jede Bewegung. Er verschwendete zudem keinen einzigen Gedanken daran, als er plötzlich mit von Energie lodernden Augen vor ihr stand und eine Locke ihres seegrünen Haares abgetrennt auf den Boden sank, während sie ihn aus vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er dachte nicht daran, dass seine Finger immer noch qualmten und die Luft noch von dem Blitzstrahl stank und knisterte, den er gerade eben haarscharf an ihr vorbeigeschleudert hatte.
Es geschah einfach. Dann richtete er zwei Finger auf sie. Winzige blaue Flammen züngelten über seine Fingerspitzen.
»Verschwinde«, flüsterte er.
»Gelehrter, ich …«
» VERSCHWINDE !«
Ihre ausdruckslose Miene bekam weitere Risse, die Heiterkeit ihres Gesichtes zerbrach in einzelne Teile, in Wut, Widerwillen und Furcht. Sie wich langsam vor ihm zurück wie vor einem wilden Tier, ging rückwärts die Düne hinab zum Strand. Sie hielt den Blick auf seine Augen gerichtet, als die Elektrizität gierig auf seinen Fingerspitzen knisterte.
»Du wirst sie niemals retten«, fauchte Grünhaar. »Selbst wenn du sie aus der Gewalt der Langgesichter befreist, kannst du ihr nicht helfen. Die Welt wird von Wasser verschlungen oder Feuer verzehrt werden, Gelehrter. Du wirst sterben. Sie wird sterben. Und wenn sie stirbt …« Die Sirene verzog die Lippen, und ein hässlicher, höhnischer Ausdruck entstellte ihr Gesicht. »Es wird dein Name sein, den sie verflucht, weil du nicht tatest, was hätte getan werden müssen.«
Darauf wusste er nichts zu erwidern. Er war kaum noch genug bei Verstand, um sie auch nur zu hören. Sein Schädel schien wieder zu brennen, ihre flüssigen Worte kochten in seinem Kopf und zischten in bedeutungslosen Dampfwolken heraus. Er ließ seine Finger nicht sinken, dämmte die Wut nicht, die ihn durchströmte, bis sie hinter einem Felsvorsprung verschwunden war.
Als er es dann tat, verließ ihn die Macht nicht einfach nur, sondern sie riss sich von ihm los, schien seinen letzten Willen und seine letzte Kraft zu rauben. Es war eine nachdrückliche Erinnerung daran, dass er trotz dieses kurzfristigen Aufbegehrens immer noch sterben würde. Eine Erinnerung, derer es jedoch wahrhaftig nicht bedurft hätte. Er ließ keuchend die Arme an den Seiten herabsinken. Ihm
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