Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
Drachenmann daran, irgendetwas zu tun, bevor sie auch schon mit einem Krachen zustießen. Ein Schock durchfuhr Lenk, der zu Boden stürzte; als er wieder hinsah, war Gariath verschwunden.
Allerdings hatte er sich nicht sehr weit von ihnen entfernt.
In das Gebrüll der Akaneed mischte sich ein anderes Brüllen, in ihr Geheul ein anderes Heulen, als die Seeschlange ihren massigen Schädel von dem Pfeiler zurückriss und wild mit dem Kopf um sich schlug. Sie versuchte, den heftig zappelnden roten Körper in ihrem Kiefer zur Ruhe zu bringen. Gariath hatte offenkundig nicht die Absicht, zu schweigen oder sich still und stumm ihren Zähnen und ihrer Zunge zu ergeben.
Der Kampf stockte unvermittelt, und Lenk blickte hilflos hoch. Gariath hockte zwischen ihren Kiefern. Seine Muskeln traten hervor, als er die Arme gegen den Gaumen der Bestie presste und seine Füße zwischen die Zähne ihres Unterkiefers stemmte. Sein Körper zitterte vor Anstrengung, als er versuchte zu verhindern, dass die Kreatur ihr riesiges Maul schloss.
Einen Augenblick lang erstarrten alle. Gariaths Körper zitterte nicht mehr. Der Kiefer der Akaneed spannte sich an. Der Drachenmann starrte zwischen den Reihen unbeweglicher Zähne herunter und sagte irgendetwas.
Dann schloss sich das Maul mit einem Knall, und er verschwand.
Einen Moment lang gurgelte die Akaneed leise und starrte auf die beiden winzigen Kreaturen auf dem Podest herunter. Dann stieß sie ein tiefes Ächzen aus, als sie sich seitlich fallen ließ und mit einem Krachen auf dem Meer aufschlug. Eine riesige Welle wogte auf, Gischt zischte, und dann war nur noch Wasser da.
Gariath war verschwunden.
Lenk sah Kataria an. Kataria blickte zu Lenk. Keinem von ihnen fiel ein passender Kommentar dazu ein.
»Sollen wir …?«, fragte Kataria und ließ den Satz vage ausklingen.
»Wie denn?«, erkundigte sich Lenk. Die Frage hing wie etwas Hartes, Eisernes zwischen ihnen.
Sie blieb dort hängen, ebenso fest wie der Felsbrocken, von dem sie sich nicht rührten, so dick wie der Nebel, der um sie waberte, und so unergründlich wie das Meer, das gluckernd an den Fels schwappte.
9
SIE HÄLT IHRE VERSPRECHEN
Das Wasser war warm. Zu warm, dachte er, als es um seine Knöchel spielte. Es war viel zu warm für diese Jahreszeit. Es sollte nicht so warm sein.
In diesem Augenblick störte es ihn jedoch nicht, dass es warm war.
Er blickte an seinen Beinen herunter. Sie waren gespenstisch weiß und sahen krank aus. Zwischen seinen Zehen zeigte sich eine Spur von Schwimmhäuten, fast so, als hätten sie angefangen zu wachsen und dann jegliches Interesse daran verloren, sich weiterzuentwickeln. Sein Blick glitt zu den Beinen neben ihm. Sie waren geschmeidig und gebräunt, wirkten gesund, und die kleinen braunen Zehen wackelten, als sie sanft Wasser traten.
Ihn schmerzte der Gedanke, dass seine Beine auch einmal so ausgesehen hatten, dass sie immer noch so hätten aussehen können. Hätte es vor Jahren nicht diese besonderen Umstände gegeben. Aber es tat weniger weh, diese gesunden Beine zu betrachten, als ihr in die Augen zu blicken.
Noch schmerzhafter war es, sie sprechen zu hören.
»Also«, begann Kasla mit viel zu weicher Stimme. »Was ist passiert?«
Diese Frage hatte er sich in den letzten zwölf Stunden bei jedem Atemzug selbst gestellt. Und ebenso lange suchte er nach einer Antwort.
Zuerst versuchte er etwas zu finden, damit sie verstand, damit sie begriff, dass es nicht seine Schuld war. Ihr musste klar werden, dass es die Schuld der Götter war. Aber diese Erklärung klang hohl in seinen Ohren.
Dann suchte er nach etwas, dem er alle Schuld zuschieben konnte. Nach etwas, aufgrund dessen sie ihn bemitleiden würde, das ihr klarmachen würde, dass er zu seinem Handeln getrieben worden war. Dass er kein Mann war, der es gewohnt war, Entscheidungen zu treffen. Diese Erklärung schmeckte faul auf seiner Zunge.
Schließlich hoffte er, einfach nur eine Antwort zu finden, nach der sie ihm weiterhin in die Augen blicken würde.
Als sie dann ihre Frage gestellt hatte, ließ er auch diese Hoffnung fahren.
»Ich habe nicht geglaubt, dass jemand mich hören würde«, meinte er und starrte auf seine Füße. »Ich habe so oft gerufen, und niemand hat geantwortet. Ich hatte nicht geglaubt, dass es etwas schaden könnte, wenn ich es einfach … noch etwas länger versuchte.« Er schloss die Augen und fühlte die Wärme, die um seine Knöchel schwappte. »Ich fing an zu sprechen … zu niemand
Weitere Kostenlose Bücher