Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
Besonderem. Als ich am Krankenbett meiner Tochter saß. Ich begann, Fragen zu stellen, fing an, Geheimnisse zu erzählen. Ich … ich erzählte ihnen, dass ich Angst hatte. Ich sagte ihnen, dass ich nicht allein sein wollte.«
Vielleicht antwortete Kasla ja mit den Augen. Er brachte es nicht über sich, seinen Blick zu heben und es herauszufinden.
»Und dann, als ich das sagte … Ich weiß nicht, vielleicht habe ich es so oft gesagt, dass mich schließlich doch jemand hörte. Aber da war es bereits zu spät. Meine Tochter war gestorben. Aber sie antworteten … sie sagten mir … sie sagten, dass ich nicht mehr allein sein müsste.«
Er hob den Kopf und sah aufs Meer hinaus. Das Wasser war ruhig.
»Also ging ich an den Strand. Ich ging ins Meer und blieb nicht stehen, bis ich …« Er streckte seine Hände aus. Sie waren weiß und kränklich. Es waren nicht Hanths Hände. »Zu dem hier wurde.«
»Du hättest es mir sagen können«, meinte sie. »Ich hätte es verstanden.«
Jetzt endlich sah er sie an. Er blickte in ihr dunkles Gesicht unter ihrer dunklen Haarmähne. Ihre Miene wirkte gequält, als sie versuchte, etwas zu begreifen, und erkennen musste, dass es keinen Sinn ergab.
»Nein, ich hätte es nicht verstanden«, gab sie seufzend zu. »Aber du hättest es mir trotzdem erzählen sollen.«
»Das hätte ich«, stimmte er ihr zu. »Ich hätte viele Dinge tun sollen.«
Es waren keine Sterne am Himmel zu sehen, nur Wolken. Als sich die Wolken verschoben, sah man in den Lücken einen Hauch von Rot. Aber der Himmel hatte sich ausgeblutet, hatte Sterne, Licht und Tränen vergossen. Es war nichts mehr übrig.
Sie sprach weiter, in dieser Dunkelheit.
»Sag mir, warum es so sein muss.«
»Das habe ich dir bereits erzählt.«
»Erzähl es mir noch einmal. Bitte.«
Hanth stand langsam auf. Das Holz unter seinen Füßen fühlte sich kalt und rau an. Die Stiche von Splittern drangen wie winzige Lanzen durch seine Fußsohlen, und der Schmerz zuckte bis in seine Waden. Trotzdem lächelte er sie an, herzlich und warm wie das Wasser, als er ihr eine Hand reichte.
»Weil ich viele Fehler gemacht habe«, sagte er und half ihr sanft hoch. »Und je mehr Fehler ich mache, desto weniger Chancen habe ich, sie jemals wiedergutzumachen.« Hand in Hand gingen sie ans Ende der Pier, zu dem Boot, das geduldig im Wasser dümpelte. »Also, wenn sich mir schon eine bietet, muss ich sie ergreifen.«
»Ich bin kein Kind mehr«, meinte sie und entzog ihm ihre Hand.
Er zuckte zusammen. »Das weiß ich.«
»Dann rede nicht mit mir, als wäre ich eins.«
»Ich kann nichts dagegen tun.«
»Weil ich dich an sie erinnere?«
Er spürte den Schatten, der über sie fiel. Er hörte das leise, gutturale Zischen, das ihn begleitete. Er spürte ihre Augen, diese riesigen, leeren Blicke, die sich in seinen Hinterkopf zu bohren schienen. Sie warteten auf ihn. Ihre Klauen zuckten gierig, als sie gegen den Stein klackten.
Er drehte sich nicht herum.
»Weil ich möchte, dass du dies hier vergisst«, erwiderte er. »Ich möchte irgendwie hoffen können, dass du eines Tages einfach aufwachst und glaubst, alles wäre ein schlechter Traum gewesen. Dieser Ort, sie … ich.«
»Das werde ich nie tun.«
»Vielleicht kannst du es nicht«, räumte er ein. »Aber ich möchte hoffen, dass du es kannst.« Er sah sie an und schluckte schwer. »Wenn ich nicht einmal diese Hoffnung haben kann …«
»Das kannst du.« Ihre Augen schimmerten und reflektierten ein Licht, das eigentlich gar nicht da war. »Ich werde versuchen zu vergessen.«
Er nickte schweigend. Hätte er noch etwas gesagt, hätte er ihr nur etwas gegeben, woran sie sich hätte klammern können. Etwas, woran sie hätte denken können, wenn sie überlegte, was wohl aus ihm geworden war. Etwas, woran sie sich erinnern konnte, wenn sie nachts auf den Ozean hinausblickte und sich fragte, ob das alles mehr gewesen war als ein Albtraum.
Er durfte ihr keine weiteren Erinnerungen an ihn geben. So grausam war er nicht.
Also führte er sie sanft zu dem Boot und half ihr beim Einsteigen. Er überzeugte sich, ob genug Lebensmittel und Wasser darin waren, damit sie ein paar Tage auf See treiben konnte, bis sie die Schifffahrtsrouten erreichte. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, was ihr auf dem Meer ohne seine Hilfe passieren konnte.
Er löste die Leinen des Bootes.
Und sah ihm nach, wie es aufs Meer hinaustrieb, fort von ihm.
Er beobachtete sie, nahm sich zusammen, um ihr nicht zuzurufen,
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