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Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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schüttelte den Kopf. »Und doch habe ich niemals etwas von euch verlangt.
    Und sie?« Er deutete mit einem Finger nach oben. »Die da, die euch alles versprochen haben, alles von euch verlangt und euch nichts gegeben haben? Diejenigen, die behaupten, sie wären die Erlöser und die Erleuchtung und die Wahrheit? Sie, die diesen Mann haben sterben lassen? Die euch sterben lassen werden? Ihnen bietet ihr alles Mögliche an, macht Versprechungen, Lobpreisungen, wenn sie nur herabsteigen und euch erlösen?
    Ich stehe in ihrem Haus. Ich spreche im Namen ihrer Feinde. Ich spreche zu ihrer Herde. Und sie tun das, was sie schon getan haben, als ihr keine Opfergaben mehr für sie hattet, als eure Familien hungerten, sie tun, was sie getan haben …« Er schien würgen zu müssen und räusperte sich nachdrücklich. »… als eure Töchter starben.
    Sie tun nichts. Euer Tempel war zu klein. Eure Opfer waren zu karg. Alles, was ihr gegeben habt, war nicht genug. Nach allem, was ihr gegeben habt, in der Stunde der Not, sind sie immer noch nicht hier.« Er schüttelte den Kopf. »Sie waren niemals hier. Hier ist niemand außer mir.
    Und Sie.« Er drehte sich um, kniete sich neben das Becken und starrte in die finsteren Fluten.
    »Und Sie ist da, lauscht. Und Sie ist da, weint um euch.« Er schob seine Hand in das Wasser, und es erhob sich, begegnete ihm wie etwas Lebendiges. Flüssige Tentakel stiegen auf, liebkosten seine Haut, feuchte Lippen sogen an seinen Fingern. »Und Sie ist da … Und auch für ihn.«
    Er riss den Mann aus dem Wasser, schleuderte ihn auf die Steine. Der Mann lag dort, schweigend und nackt, zitterte in kindlicher Schwäche, begann wie ein Neugeborenes zu jammern. Er bog seinen Rücken und starrte mit schwarzen Augen in die Welt hinaus, sog den Atem zwischen nadelspitzen Zähnen ein. Er hob die Hände und umklammerte seine Kehle, war von der Wunde geheilt, die dort gewesen war. Seine Haut hatte die Farbe von Knochen.
    »Jemand hat mich gehört«, sagte der Mund, kniete sich neben ihn und nahm sanft seine Hand von seiner Kehle. »Jemand hat ihn gerettet.«
    Erneut glitt sein Blick zum Becken, auf die dunklen Gestalten, die sich aus dem Wasser erhoben. Große mit Schwimmhäuten bestückte Krallen tauchten auf, gruben sich in den Stein des Beckenrandes. Ihre ausgemergelten Körper tauchten als Nächstes auf, schimmerten von dem Wasser, das über ihre eingefallenen Brustkästen lief und über ihre großen weißen Augen. Sie erhoben sich auf ihre langen Beine, ihre Kiefer klafften, als sie aufstanden, regungslos bis auf die ausgestreckten Klauen. Aus ihnen troff etwas Zähes, etwas, das von Leben schimmerte.
    »Und jemand wird auch euch erhören.«
    Der Mund stand wieder auf und betrachtete das Meer aus Menschen. Ihre Gesichter zuckten, zeigten Mienen von Furcht bis Ekel, aber etliche verrieten auch Neugier. Andere strahlten förmlich vor Ehrfurcht, als sie auf die Abysmyths schauten, die um das Becken herumstanden, die schimmernde Substanz betrachteten, die von ihren Klauen tropfte.
    »Aber es ist eure Entscheidung«, sagte er. »Euer Leben gehört euch, vorläufig. Falls ihr euch entscheidet, es zu behalten und zu gehen, dann tut das. Nehmt euer Leben und genießt es, solange es euch gehört. Genießt es, bevor es euch von den Armeen entrissen wird, die behaupten, dass sie euch beschützten. Bevor die Priester es euch nehmen, die euch schwören, sie dürften es nehmen. Oder bevor es euch von Menschen genommen wird, die es euch einfach nehmen, weil sie es wollen. Nehmt euer Leben. Nehmt es. Und geht …«
    Er breitete die Arme aus und winkte den Kreaturen, die stoisch und stumm, wie Monolithen, hinter ihm standen.
    »Oder aber gebt es Ihr. Der Einzigen, die euch erhört. Gebt es Ihr … Und frohlocket.«
    Es dauerte eine Ewigkeit, bevor sie sich rührten, eine Ewigkeit, die dem Mund vertraut war. Er hatte sie erlebt, als ihm dieselben Früchte präsentiert wurden. Es war der Moment, in dem er dastand, gebunden und frei gleichzeitig, verpflichtet nur sich selbst und gefesselt von der ungeheuren Furcht, die eine solche Freiheit begleitete.
    Es hatte ihn ein ganzes Lebensalter gekostet, damals eine Entscheidung zu treffen. Aber er hatte sie getroffen.
    Dann, als sich eine einzelne Seele aus der Menge erhob, eine einzelne Frau, deren Gesicht er nicht kannte, die keine Tränen mehr hatte, eine Frau mit einem leeren Platz neben sich, den jemand füllen sollte, wusste er, wie sie sich entscheiden würden.
    Schweigend

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