Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
wird nie wieder frei in der Liebe sein. Also, mir ging’s ja ähnlich, als ich …«
»Was meinen Sie damit? Was lief nicht mehr bei ihm?« Erik war fest entschlossen, Gaby Woicke nicht von dem Weg abkommen zu lassen, der zu Björn Mende führte.
»Nun, er konnte keinen normalen Geschlechtsverkehr haben«, erklärte Gaby Woicke leidenschaftslos. »Selbstbefriedigung war das Einzige, was bei ihm funktionierte. Klar, dass seine Ehe nicht lange gehalten hat. Er hatte wirklich Pech. Erst die böse Stiefmutter, dann die missglückte Ehe, und anschließend verliebt er sich auch noch in eine verheiratete Frau, die sich nicht von ihrem Mann trennen kann.«
»Sie meinen Ulla Andresen?«, meinte Sören.
Gaby Woicke nickte. »Ich konnte sie ja nicht besonders gut leiden. Und, ehrlich gesagt, hat’s mich auch gewundert, dass sie sich auf ein Verhältnis mit einem Mann einließ, der nicht normal mit ihr schlafen konnte. Aber vielleicht gefiel ihr ja auch gerade das, wer weiß.« Gaby runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Da fällt mir ein … später hieß es, dass Björn bei Ulla sein Trauma überwunden hat. Ich glaube, sie war eine Frau, die andere gern von ihrer positiven Kraft überzeugte. Möglich, dass sie die hatte, aber sympathisch war sie mir trotzdem nicht. Ich habe nicht verstanden, warum sie ihren Ehemann überhaupt hasste. Anscheinend nur, weil er nichts von dem halten konnte, was er ihr versprochen hat. Nur deswegen!«
»Was hatte er ihr denn versprochen?«
»Er wollte ein tolles Geschäft aufziehen in Westerland. Filialen auf der ganzen Insel, in ganz Schleswig-Holstein! Seine Frau sollte ein angenehmes Leben an seiner Seite führen. Aber nichts hat geklappt. Am Ende hatte er nicht mal genug Geld, um für sein Kind eine Operation zu bezahlen, die der Kleinen das Leben retten konnte. Er war wohl wie mein Ex! Der hat immer so getan, als wäre die Welt daran schuld, dass er nicht reich geworden ist. An ihm selbst lag es jedenfalls nie …«
»War Ulla Andresen auch in der Therapiegruppe«, fragte Erik, »um zu lernen, über ihr Schicksal zu sprechen?«
Gaby Woicke nickte. »Sie hat vorher alles in sich reingefressen. Die Krankheit des Kindes, die Ausweglosigkeit und den Hass auf ihren Mann. Darüber ist sie selber krank geworden. Magengeschwüre! Und ihr Internist hat ihr geraten, in die Therapiegruppe zu gehen. Tja, und später …«
»Später?«
»Später ist sie vor allem gekommen, weil sie in der Gruppe Björn treffen konnte. Wir haben alle gemerkt, dass sich zwischen den beiden was anbahnte. Detlef hat sie einmal direkt darauf angesprochen und gefragt, ob sie darüber reden wollen.«
»Und? Wollten sie reden?«
Gaby Woicke zuckte die Schultern. »Ein bisschen haben sie rausgelassen, aber nicht viel. Für Ulla stand fest, dass sie bei ihrem Mann bleiben musste, solange das Kind lebte. Die Kleine brauchte ein stabiles Umfeld. Die Trennung der Eltern hätte sie wohl nicht verkraftet.«
An der Tür machte Gaby Woicke einen letzten Versuch, das Gespräch auszudehnen. »Wir waren übrigens ganz froh, als Björn nicht mehr zur Gruppentherapie kam. Er hat alle nur negativ beeinflusst. Wenn Sie mich fragen: Seine sexuellen Probleme sind nicht besser, sondern schlimmer geworden. Warum sonst tastet er dauernd zu seinem Hosenschlitz? In der Gruppe wurde darüber getuschelt, dass er sich ständig selbst befriedigt. Zum Beispiel, wenn er zur Toilette ging. Manchmal wurde schon über seine schwache Blase gelacht, aber dann sprach sich rum, dass immer so ein merkwürdiges Stöhnen aus seiner Kabine drang. Er hatte auch ein paar Einzelstunden bei Detlef. Vielleicht hing das ja damit zusammen.«
Inzwischen war es dunkel geworden, sanfter Nieselregen hatte eingesetzt. Erik freute sich auf sein Zuhause, auf die Wärme in der Küche, die wieder gemütlich geworden war, seit seine Schwiegermutter darin schaltete und waltete, und er freute sich darauf, dass Sören ihm wieder ganz selbstverständlich ins Haus folgen würde …
»Nichts davon zu meiner Schwiegermutter, verstanden?« vergewisserte Erik sich bei seinem Assistenten.
Sören schwieg. Gaby Woickes Redegewalt schien ihn apathisch gemacht zu haben. Schließlich meinte er: »Warum nur ging Björn Mende nach Sylt, wo doch dort seine Stiefmutter wohnte? Und warum ließ er sich von Andresen einstellen?«
»Vermutlich, um in Ullas Nähe zu sein«, meinte Erik. »Und dass Christa Kern auf Sylt wohnte, musste er nicht wissen.«
»Warum hat Björn
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