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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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am zweiten Hochzeitstag windelweich schlug. Nun war sie Single und fest entschlossen, sich nie wieder verprügeln zu lassen.
    Dr. Detlef Baron hatte sie angeblich die Erkenntnis zu verdanken, dass ein Opfer durch seine Körpersprache die Opferrolle herausforderte, woraufhin Gaby sich erfolgreich im aufrechten Gang und in kämpferischer Haltung versucht hatte. Und außerdem hatte sie durch ihn gelernt, über ihr Leid zu reden, und es darin sogar zu wahrer Meisterleistung gebracht.
    »Alle Achtung«, stöhnte Sören und rieb sich sein heißes Ohr. »Wenn das wirklich dem Psychiater zu verdanken ist, dann versteht er sein Handwerk.«
    Kurz darauf hielten sie vor einem kleinen Einfamilienhaus in Harrislee. »Mein Mann musste mir eine Abfindung zahlen«, erzählte Gaby Woicke, kaum dass Erik und Sören über ihre Schwelle getreten waren. »Und unterhalten muss er mich auch.« Sie behandelte Sören wie einen alten Bekannten, da sie mit ihm immerhin schon dreißig Kilometer lang geplaudert hatte. »Sie glauben gar nicht, wie das ist, wenn man niemandem erzählen mag, was geschehen ist. Wer will schon zugeben, dass er geschlagen wird?«
    Während sie redete, brachte sie es fertig, Erik und Sören ins Wohnzimmer zu führen, sie in je einen Sessel zu bugsieren und den Kaffee einzugießen, den sie zwischen dem Telefongespräch mit Sören und dem Eintreffen der beiden Beamten gekocht hatte.
    »Und dann endlich der Augenblick, in dem man es wagt! Man spricht es aus! Niemand lacht einen aus, keiner tippt sich an die Stirn. Nein, alle haben mich ernst genommen. Und langsam, ganz langsam wächst das Gefühl, dass man etwas wert ist. Obwohl man geschlagen wird.«
    »Frau Woicke …« Erik hatte schon ein paar Mal mit verzweifelten Gesten versucht, den Redestrom zu unterbrechen. »Wir suchen …«
    »Detlef hat gesagt … Dr. Baron, meine ich …«
    »Wir suchen Björn Mende. Haben Sie eine Ahnung, wo er stecken könnte?«
    Gaby Woicke war derart verblüfft, dass sie sich verschluckte. Anscheinend hatte sie vergessen, dass die Polizei nicht erschienen war, um Anteil an ihrem Geschick zu nehmen.
    Erik war dankbar, dass sie eine Weile mit Husten beschäftigt war, was sie zum Glück am Reden hinderte. »Sie kennen Björn Mende aus der Therapiegruppe. Vielleicht können Sie uns weiterhelfen.«
    »Warum versuchen Sie es nicht in seiner Wohnung?«, keuchte Gaby Woicke. »Er wohnt in Husum.«
    »Dort waren wir schon«, erklärte Sören. »Sie wissen sicherlich viel von Björn Mende …«
    »Na, das mögen Sie wohl sagen! Wir haben uns wirklich geöffnet in dieser Gruppe. Jeder wusste alles vom anderen. Das war ja Sinn der Sache. Detlef hat immer gesagt, wir sollen alles rauslassen, sonst …«
    »Was hat denn Björn Mende rausgelassen?«
    Gaby starrte eine Weile in ihre Kaffeetasse. »Der Björn war wirklich eine arme Sau«, sagte sie dann. »Von der Stiefmutter jahrelang missbraucht! Das muss man sich mal vorstellen! Frauen, die vom Stiefvater missbraucht werden – das gibt’s ja öfter. Mein Stiefvater …«
    »Dieser Missbrauch … geschah der nach dem Tod des Vaters?«
    »Nein, nein, das hat schon früher begonnen. Björn fühlte sich schuldig am Unfalltod seiner Mutter. Er hatte nämlich vorher einen heftigen Streit mit seiner Mutter gehabt. Die war sehr erregt gewesen, als sie sich ins Auto setzte, und … peng!« Gaby Woicke schlug mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Björn war davon überzeugt, dass seine Mutter nicht verunglückt wäre, wenn es diesen Streit nicht gegeben hätte, wenn er lieb zu seiner Mutter gewesen wäre und nicht so frech. Und seine Stiefmutter, der er sich später anvertraute, bestärkte ihn in dieser Ansicht. Sie redete ihm sogar ein, dem Vater die Frau genommen zu haben, weil er nicht lieb zu seiner Mama gewesen war. Zu der zweiten Frau seines Vaters sollte er nun ganz besonders lieb sein …« Gaby Woicke schüttelte den Kopf. »Als er dann endlich ganz lieb zu seiner Stiefmutter gewesen war, hatte sie ihn in der Hand. Immer wieder musste er ganz lieb zu ihr sein, sonst hätte sie ihn bei seinem Vater angeschwärzt. Ihm wollte sie sagen, Björn hätte sie vergewaltigt. Also musste er tun, was sie von ihm verlangte. Auch noch nach dem Tod des Vaters hat sie ihn mit Drohungen gefügig gemacht. Als Björn volljährig war, konnte er endlich ausziehen. Aber sexuell lief natürlich nicht mehr viel bei ihm nach diesen Erfahrungen. Wer einmal als Kind oder Jugendlicher missbraucht worden ist,

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