Die Tote im Götakanal
manchmal bei Theateraufführungen mitgemacht, aber meistens als Pfifferling in dem Märchenspiel.«
»Na also. Dann wird’s schon gutgehen.«
Martin Beck schwieg ein paar Sekunden. »Es ist unsere einzige Chance«, sagte er dann. »Der Mann braucht einen Anstoß, und den müssen wir ihm geben«
»Okay, ich werd’s versuchen. Hoffentlich geht alles klar. Leicht wird es nicht sein.«
»Nimm dir als erstes die Unterlagen vor: Berichte, Filme, Vernehmungsprotokolle, Briefe, Fotografien.
Dann reden wir weiter.«
»Soll ich gleich anfangen?«
»Ja, heute noch. Hammar wird deine temporäre Versetzung hierher veranlassen. Ach, noch etwas: Wir müssen uns deine Wohnung anschauen und Zweitschlüssel anfertigen lassen.«
Zehn Minuten später saß sie in einem Raum neben Kollbergs und Melanders Dienstzimmer, hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und studierte den ersten Bericht.
Am Nachmittag traf Ahlberg ein. Martin Beck nahm ihn mit zu Kollberg hinauf.
»Gunnar muß morgen wieder zurück«, erklärte er.
»Aber vorher möchte er noch einen Blick auf Bengtsson werfen.«
»Es muß aber ein sehr vorsichtiger Blick sein«, warnte Kollberg.
»Er kennt mich ja nicht«, sagte Ahlberg.
»Na schön, wenn wir ihn noch auf seinem Heimweg begleiten wollen, müssen wir los«, meinte Kollberg. »Heut ist jedermann in dieser Stadt sowie die Hälfte der Bevölkerung unsres Landes auf den Beinen und kauft Weihnachtsgeschenke.«
Ahlberg schnippte mit den Fingern und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn: »Weihnachtsgeschenke! Die hatte ich völlig vergessen!«
»Ich auch«, sagte Martin Beck. »Das heißt, ab und zu denke ich daran, es wird aber nie was daraus.«
Der Verkehrstrubel war fürchterlich. Zwei Minuten vor fünf ließen sie Ahlberg am Norrmalmstorg aussteigen und sahen ihn dann im Gewühl von Smälandsgatan verschwinden.
Kollberg und Martin Beck hielten vor Berns, blieben im Auto sitzen und warteten. 25 Minuten später kletterte Ahlberg auf den Rücksitz.
»Es ist der Mann von unserem Film«, erklärte er.
»Gar kein Zweifel. Ich bin ihm nachgegangen, bis er in den Sechsundfünfziger gestiegen ist.«
»Jetzt fährt er nach St. Eriksplan, kauft Milch, Brot und Butter, dann geht’s nach Hause. Dort ißt er, glotzt in die Flimmerkiste und legt sich schlafen«, zählte Kollberg auf. »Wo soll ich euch absetzen?«
»Wir bleiben hier. Jetzt haben wir die große Chance, endlich unsere Weihnachtseinkäufe erledigen zu können«, sagte Martin Beck.
Eine Stunde später stöhnte Ahlberg in der Spielwarenabteilung:
»Kollberg hatte Unrecht diesmal: Die andere Hälfte der Bevölkerung ist auch hier.«
Sie brauchten beinahe drei Stunden, um die Einkäufe zu erledigen, und dann noch mal eine, um nach Bagarmossen hinauszufahren.
Am Tag darauf sah Ahlberg zum erstenmal die Frau, die ihr Lockvogel werden sollte. Sie hatte erst einen kleinen Teil des Materials durcharbeiten können.
Am Abend fuhr Ahlberg wieder nach Motala zurück, gerade noch rechtzeitig, um Weihnachten zu feiern. Nach Neujahr wollten sie ihre Arbeit wiederaufnehmen.
27
Es wurden graue Weihnachtstage. Der Mann, der Folke Bengtsson hieß, verbrachte sie still bei seiner Mutter in Södertälje. Martin Becks Gedanken kreisten unaufhörlich um den Fall, sogar beim Festgottesdienst und während er als Weihnachtsmann unter der Kapuze schwitzte. Kollberg verdarb sich den Magen und mußte für drei Tage ins Krankenhaus auf Söder.
Die Zeitungen berichteten in einigen lustlosen Einspaltern, daß der Kanalmord in den USA vor der Aufklärung stehe und die schwedische Polizei damit ihre Nachforschungen eingestellt habe.
In Göteborg gab es die traditionellen Neujahrsmorde, die in weniger als 24 Stunden aufgeklärt wurden. Kafka schickte eine typisch amerikanische Ansichtskarte. Sie war in einem widerlichen Lila gehalten und stellte einen Hirsch bei Sonnenuntergang dar. Ahlberg erhielt seine Ernennung zum Staatsbeamten.
Der 7. Januar schien sich in nichts von jedem anderen 7. Januar zu unterscheiden. Die Straßen waren voll von grauen, frierenden Menschen mit leeren Geldbörsen. Der Ausverkauf hatte begonnen, trotzdem waren die Geschäfte beinahe leer. Das Wetter war diesig und naßkalt.
Trotzdem war der 7. Januar ein besonderer Tag: Es war nämlich der Tag X.
Am Morgen inspizierte Hammar seine Truppen.
»Wie lange soll dieses Experiment denn vor sich gehen?« erkundigte er sich.
»Bis er uns in die Falle geht«, gab Ahlberg zurück.
»Sagst du. Du
Weitere Kostenlose Bücher