Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
und daher beachtenswert.« Er machte eine scharfe Kehre, als er die Wand erreicht hatte. »Noch am selben Nachmittag flieht sie aus dem Haus der Wittgens und wird wenig später erschlagen am Lahnufer gefunden. Was sagt uns das?«
»Dass sie mir etwas mitteilen wollte, und jemand wollte es verhindern?«, vermutete Sophie, die sich angesprochen fühlte.
Julius nickte. »Genau das. Und ich glaube, ich weiß auch, was das war.«
»Teilst du es mir…?«, fragte Sophie, wurde aber schon wieder von Julius unterbrochen.
»Ich war vorhin im Wirtshaus an der Lahn und habe ich ein paar interessante Dinge erfahren. Greta ist die Schwester von Johann Fuchs, genannt Hannes. Ein eng vertrautes Geschwisterpaar, wenn man den Erzählungen der Leute Glauben schenken mag. Also wird sie Bescheid gewusst haben, was ihr Bruder so treibt. Ich habe Erkundigungen eingezogen, und rate einmal, was unser Freund Fuchs alles auf dem Kerbholz hat.«
Sophie schüttelte ungehalten den Kopf. »Es ist mitten in der Nacht, und ich habe keine Lust auf Ratespiele. Sag endlich, was du weißt.«
»Ich weiß bedauerlicherweise viel zu wenig, aber das Mosaik ergibt allmählich ein sinnvolles Bild.« Julius’ Mundwinkel zuckten. »Unser Fuchs ist kein unbeschriebenes Blatt. Hehlerei und Erpressungen, munkelt man. Er stammt aus Kassel und ist etwa zeitgleich mit den Wittgens nach Marburg gekommen. Interessant ist aber vor allem, dass er eine Weile beim Apotheker Hesse ausgeholfen hat. Dort wurde er rausgeworfen, weil angeblich Arzneien verschwunden sind.«
»Woher weißt du das alles?«, fiel Sophie ihm ins Wort. »Man hat dir das doch sicher nicht alles einfach so erzählt!«
»Nein, dazu fehlt mir dein diplomatischer Wimpernaufschlag«, gab Julius trocken zurück. »Manchmal reicht es, den richtigen Leuten die richtigen Fragen zu stellen.«
Sophie nickte steif, ein Zeichen, dass sie sich mit der Erklärung zufrieden gab. Viel mehr würde Julius vermutlich ohnehin nicht erzählen – aus gutem Grund, wie sie sich denken konnte, schließlich konnte er dieses Wissen nur aus Kreisen haben, mit denen man eigentlich nicht verkehrte. Aber vielleicht galten für einen Arzt, der in Paris in Armenspitälern gearbeitet hatte, andere Regeln.
»Du meinst also, dass Fuchs etwas mit den Morden zu tun hat?«, schlussfolgerte sie.
Julius schüttelte den Kopf, hielt aber endlich in seinem Umherstreifen inne. »Ich weiß es nicht. Fuchs hat kein Motiv. Zumindest keins, das ich derzeit erkennen könnte. Aber er hatte Zugang zu Gift und er bewegt sich im Umfeld der Wittgens.«
»Doch, er hat ein Motiv«, widersprach Sophie. »Wenn Greta seine Schwester ist, dann wollte er sie vielleicht schützen. Oder rächen. Greta und Katharina Wittgen waren nicht die besten Freundinnen. Er könnte das Gift in das Zeug gemischt haben, das Katharina von der Hexe bekommen hat. Wenn er sie schützen wollte, erklärt das auch, warum er sich ständig bei den Wittgens herumgetrieben hat.«
»Schön und gut, aber was ist mit dem Mädchen, mit Helene?« Julius schnippte mit den Fingern. »Das ist der Punkt, den ich mir nicht erklären kann. Es sei denn, es gab etwas zwischen Helene und diesem Fuchs, was wir bislang noch nicht wissen.«
»Vielleicht war es ein Unfall? Mit dem Gift?«, mischte sich Käthe ein. Überrascht stellte Sophie fest, dass die Magd trotz aller Müdigkeit anscheinend aufmerksam zugehört hatte – und im Gegensatz zu Onkel Hugo auch verstand, worüber sie sprachen.
Julius nickte Käthe zu. »Gut möglich. Im Übrigen verlasse ich mich darauf, dass du den Mund hältst über alles, was du hier gehört hast, verstanden?«
»Natürlich«, beeilte sich Käthe zu versichern. Sie zwinkerte Sophie verschwörerisch zu. »Ich werde schweigen wie ein Grab.«
»Gut, dann sieh nun zu, dass ihr Sophie heil nach Hause bringt.« Julius ließ sich wieder hinter seinem Tisch nieder und ruckte die Brille zurecht, als wollte er fortfahren in seinen Studien.
Sophie starrte ihn perplex an. »Und was machen wir jetzt?«, platzte sie heraus. »Wir müssen doch etwas unternehmen!«
»Um diese Uhrzeit?« Julius schob die Brille ein Stück weit nach unten und blickte sie über den Rand hinweg an. »Was willst du jetzt noch erreichen?«
»Na, irgendwas … halt.« Hilflos hob Sophie die Arme, ließ sie wieder fallen. »Ich kann doch nicht einfach schlafen gehen!«
»Ich komme morgen früh vorbei. Dann sehen wir weiter.« Mit einer wedelnden Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass
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