Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
zusammenzucken zu lassen.
»Ich verlange eine Erklärung.«
Schmitt hob hastig die Stiefel vom Tisch und zog die Uniform straff. Seine Finger strichen nervös durch den Schnurrbart. »Was möchten Sie hören?«
»Ich möchte wissen, warum Sie sich zum Handlanger meines Vaters machen!« Julius holte tief Luft, stützte dann die Fäuste auf die Tischplatte. »Sie wussten von Anfang an, dass es niemanden einen Pieps interessieren würde, was ich herausfinde!«
»Das stimmt.« Noch immer zwirbelte Schmitt den Bart, aber er wich Julius’ Blick nicht aus. »Es tut mir auch aufrichtig leid, wenn es Ihnen wie ein Verrat erscheinen muss. Im Grunde war es das auch, aber nur mit besten Absichten.«
»Besten Absichten wozu?« Julius schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie benutzen mich, um bei meinem Vater Liebkind zu machen, und erzählen mir dann etwas von guten Absichten ? Was haben Sie sich dabei eigentlich gedacht? Dass Sie damit Ihr Salär ein wenig aufbessern können? Oder hat mein Vater Ihnen Versprechungen gemacht, Sie für eine einträglichere Stelle zu empfehlen?«
»Man sollte meinen, dass gerade Sie Ihren Vater gut genug kennen, um zu wissen, dass er solcherart Händel zutiefst verabscheut. Leider, muss ich sagen, denn dann träfen Ihre Vorwürfe wenigstens den Richtigen.« Schmitt sah ihn ruhig an, die Schnauzerspitze zuckte leicht. »Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass Ihr Vater nach einer Möglichkeit gesucht hat, dem Kurfürsten die Dringlichkeit eines Eingreifens deutlich zu machen? Dieses Ding dort draußen treibt sich seit Wochen in den Wäldern herum, und inzwischen traut sich kaum noch jemand vor die Stadt. Viele treiben ihr Vieh nicht mehr vor die Stadtmauern, und der Sauhirte verlangt drei Mann mit Knüppeln, die Wache stehen, wenn die Säue auf der Weide sind. Die Leute werden zu nervös, man erzählt sich schon von drachenähnlichen Monstern mit Wolfsmäulern und ähnlichen Schwachsinn.«
»Dann schreibt man eine dringende Anfrage an den Kurfürsten!«
»Das ist alles schon geschehen. Mehrfach. Daher hat ihr Vater nach Hirschners Bericht über Adams Verletzungen von mir verlangt, alles zusammenzutragen, was ich über den Wolf finden kann. Ich glaube, er hat vor, eine ganze Mappe mit Berichten, Klagen und Untersuchungen nach Kassel zu schicken, damit endlich etwas geschieht.«
»Deshalb haben Sie mir das Schaf in den Keller gelegt?«
Schmitts Mundwinkel zuckten unter einem verlegenen Grinsen. »Nur mit besten Absichten. Eine zweite Untersuchung unterstreicht die Ergebnisse der ersten und macht sie eindringlicher, hat Ihr Vater gesagt.«
»Der zweifellos etwas davon versteht, wie man kurfürstliche Entscheidungen beeinflussen kann«, murmelte Julius und nahm die Fäuste vom Tisch. Seine eigene Berufung zum Adjunkt des Stadtphysikus verdankte er der geschickten Politik seines Vaters, und er war sich sicher, dass es noch ein paar Dutzend weitere Angelegenheiten gab, bei denen Stadtrat Laumann im Hintergrund die Fäden zog.
»Nur, damit ich das richtig verstehe«, wandte sich Julius wieder an Wachtmeister Schmitt, der unbewegt auf seinem Stuhl sitzen geblieben war. »Mein Vater verhindert die Aufklärung des Mordes an Helene Wittgen, indem er versucht, mir Handfesseln und Maulkorb anzulegen, und auf der anderen Seite lässt er mich wie eine Fadenpuppe tanzen, um die Ergebnisse zu bekommen, die er haben will?«
»Nun ja, so kann man das sagen. Ja.«
Julius seufzte und stützte sich ab, die Nasenwurzel zwischen den Fingern knetend. »Ich hätte niemals hierher kommen sollen«, stellte er resigniert fest. »Geben Sie mir den Wisch, ich unterschreibe das.«
»Sie tun das wirklich?« Der Wachtmeister gluckste erfreut. Ein breites Lächeln zog sich über sein Gesicht. »Dann wäre diese ganze Geschichte gar nicht notwendig gewesen. Hier«, er reichte ihm das Tintenfässchen und die Schreibfeder und strich das Papier noch einmal glatt, ehe er es dazulegte. »Gott wird es Ihnen vergelten.«
»Dass ich mich der Sünde der Lüge schuldig mache?« Julius hob spöttisch einen Mundwinkel, tauchte die Feder aber ein und setzte seinen Namenszug kurz und knapp unter den Bericht.
Schmitt nahm das Papier an sich, betrachtete es zufrieden und blies vorsichtig über die feuchte Tinte, ehe er es zusammenfaltete und neben sich auf den Schreibtisch legte. »Sie haben etwas gut bei mir«, bemerkte er. »Haben Sie eigentlich etwas Neues herausgefunden?«
»Eine ganze Menge, aber nichts, was
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