Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
buntes Treiben, das es Julius nicht leichter machte. Wäre die Sache nicht so verfahren, würde er einfach zum Haus der Wittgens gehen und dort auf das Mädchen warten. Vielleicht sollte er das tun, anstatt hier seine Zeit zu vertrödeln, dachte er ärgerlich, während er ein paar Schritte weiterging, um eine andere Ecke des Markts einzusehen. Wenn nur nicht die Gefahr bestünde, dass die Wittgens sich gleich wieder bei seinem Vater beschwerten. Gottlob konnte es nicht mehr ewig dauern. Er hoffte nur, dass ihm die Magd tatsächlich weiterhalf.
»Na, Herr Doktor!«, hörte er plötzlich eine Stimme rufen und erkannte Adam, den Holzsammler, der winkend auf ihn zukam. »Dass man Sie hier mal sieht!«
»Guten Tag, Adam«, nickte Julius ihm höflich zu. »Geht’s gut?«
»Ach, das Bein macht noch ein wenig Ärger.«
»Das dauert. Denk daran, den Verband zu wechseln.«
»Das tue ich doch«, grinste der Mann breit. »Das haben Sie mir doch so gesagt. Suchen Sie etwas?«, erkundigte er sich, als Julius den Hals reckte, um an ihm vorbeizusehen.
»Jemanden. Ich suche das Dienstmädchen der Wittgens. Greta. Kennst du die?«
Adam nickte eifrig. »Die habe ich vorhin noch gesehen. Dort vorne ist sie ja, bei der Blumenfrau!«
Julius’ Blick folgte Adams Zeigefinger und blieb an der jungen Frau hängen, die gestikulierend mit einer Blumenfrau stritt. Ihre pummelige Gestalt zeichnete sich unter den Röcken deutlich ab, und selbst aus der Entfernung konnte er die geäderten Wangen erkennen, die im Streit eine dunkelrote Farbe angenommen hatten. Zufriedenheit breitete sich in ihm aus. Da war sie doch!
Flüchtig verabschiedete sich Julius von dem Holzsammler und drängelte sich zu ihr durch, wo er wartete, während sie der Blumenfrau schnaubend eine Münze in die Hand drückte und einen Strauß Myrtenastern aus dem Arm riss.
»Auf ein Wort«, trat Julius ihr in den Weg.
Sie hielt inne, schielte misstrauisch zu ihm hoch. »Was wollen Sie?«
»Ich habe eine Frage an dich. Mehr nicht.« Julius versuchte ein Lächeln, nicht, weil ihm danach war, sondern weil Sophie vielleicht recht hatte, dass es ihm bisweilen an Liebenswürdigkeit gebrach. Er hasste nichts so sehr wie aufgesetzte Freundlichkeit, aber anscheinend war sie manchmal tatsächlich von Nöten. »Ich bezahle dir deine Zeit.«
Die Magd runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
Julius fischte eine Münze aus seiner Rocktasche und schnippte sie ihr zu. Überraschend geschickt fing sie das Geldstück auf, drückte es prüfend zwischen den Fingern, ehe sie es in ihrem Ärmel verschwinden ließ. »Was wollen Sie wissen?«
»Du hast vielleicht mitbekommen, dass Emilie Breuer umgekommen ist.«
»Ertrunken, ja.«
»Nicht ganz.« Julius kramte den Wurstrest aus einem Beutel und wickelte ihn aus dem Tuch. »Das hier wurde bei der Witwe Breuer gefunden. Ich vermute, dass sie sich daran den Magen verdorben hat. Könnte es sein, dass sie die Wurst von ihrer Freundin Frau Wittgen hat?« Die fehlende Verbindung.
Die Dienstmagd hob beide Augenbrauen und beugte sich vor, um die Wurst von allen Seiten zu betrachten. »Könnte sein«, räumte sie nach einer Weile ein, die Julius wie eine Ewigkeit vorkam. »Letzte Woche, da kam der Herr Doktor aus Kassel zurück und hat der Frau Doktor einen Ring Würste mitgebracht. Die hat sie an die Wand geschmissen später, weil sie sagte, dass das ein Geschenk für eine Bäuerin sei. Ich glaube, sie hat der Witwe Breuer welche davon geschenkt.«
»Danke, das hilft mir schon weiter.« Julius nickte und packte die Wurst wieder ein. »Eine zweite Sache – ich brauche den Namen des Studenten, der Frau Wittgen besucht.«
Das Gesicht der Magd verschloss sich. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte sie kühl und fasste den Korb mit den Blumen fester. »Einen schönen Tag noch.«
»Warte!«, hob Julius an, aber die Magd drängte wortlos an ihm vorbei und verschwand im Gedränge.
Julius hob die Schultern und machte sich auf den Heimweg. Die Münze hatte wenigstens einen Anhaltspunkt gebracht und es kam Bewegung in die Geschichte. Den Namen des Studenten konnte er sicher im Wirtshaus in Erfahrung bringen, und wenn er die Hexe erreichte, könnte er …
Er war so tief in seine Gedanken versunken, dass er die drei Männer erst bemerkte, als er beinahe in sie hineingelaufen wäre. Er wollte schon mit einer gemurmelten Entschuldigung zur Seite treten, um sie durchzulassen, als er sah, dass sie ebenfalls stehen geblieben waren. Ein säuerliches
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