Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Achten Sie nicht auf das, was ich sage. Und würden Sie mir bitte das lederne Notizbuch aus dem Handschuhfach reichen?«
Der Wagen blieb stehen, und Joe stieg mit dem Notizbuch in der Hand aus. Er stellte sich mitten zwischen die beiden Pfeiler, schaute zu dem Haus in der Ferne, dann wieder in sein Notizbuch und las daraufhin seinen Beifahrern vor: »›Bei dem ursprünglichen Bau handelte es sich um ein einfaches Ziegelbauernhaus aus dem sechzehnten Jahrhundert, wie es für den Westen Surreys typisch war. Ihm wurden ein Mittelteil in grober Imitation des Stils von Sir Christopher Wren angegliedert: rote Ziegelarbeit, wie es in England gute Tradition ist, mit soliden, großen, weiß gestrichenen Fenstern … Die kunstfertigen Anbauten erfolgten wahrscheinlich in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts, etwa in der Art von Charles Voysey...‹ Da, der Flügel zu Ihrer Rechten. Schauen Sie genau hin, Constable. Voysey? Würden Sie auch auf Voysey tippen? Ich würde es eher für Lutyens halten.
›Alles ist gut und schön, bis man zu den Pfeilern an der Pforte gelangt, wo ein bedauerlicher Ausbruch von Stilverirrung zu finden ist. Klassisch im Stil, Praktikabilität mit Anmut kombinierend, obwohl die Vision des Architekten und - das müssen wir leider sagen - seine Geschmackssicherheit ihn verlassen haben, was die Statuen auf den beiden Pfeilern angeht.‹ Achten Sie auf die Statuen, Sergeant.« Joe winkte leichthin mit der Hand.
Die Statuen, die bis zu diesem Zeitpunkt reglos verharrt hatten, begannen nun zu zucken.
»›Diana zur Linken, mit dem Pfeil in der Hand, und zur Rechten ihr Ziel, Aktäon. Vielleicht war das die Absicht? Eher grotesk als griechisch, wird das Urteil des kenntnisreichen Besuchers lauten.‹«
Diana zur Linken stieß ein unterdrücktes Gurgeln aus und ließ den Bogen sinken. Aktäon zur Rechten zischelte: »Also ehrlich!«
»Fahren Sie weiter, Constable. Ich denke, wir haben hier genug gesehen.«
Der Butler öffnete die Tür sorgfältig abgemessene fünf Sekunden, nachdem Joe zweimal geklopft hatte. Joe begrüßte ihn mit Namen: »Reid? Wir haben telefoniert. Commander Sandilands.« Er reichte ihm seine Visitenkarte, die gewissenhaft geprüft wurde.
»Mrs. Joliffe erwartet Sie, Commander. Ich werde ihr mitteilen, dass Sie eingetroffen sind, Sir.« Er nickte einem Diener zu, der Joes Hut und Armitages Mütze nahm. Westhorpe schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, dass sie ihren Hut aufbehalten wollte. Dann folgten sie dem Butler in einen kleinen, nach Süden ausgerichteten Salon. Die Terrassentüren standen offen und ließen einen Rasen sehen, der für ein Krocketspiel hergerichtet war. Ein Feuer brannte fröhlich im Kamin unter einem geschnitzten Eichensims. Der Raum war mit einer Mischung aus eleganten Stücken in traditionellem englischem Design eingerichtet - Joe bemerkte zwei besonders gute Hepplewhite-Stühle - und einigen Objekten des neueren Kunsthandwerks. Eichentische, türkische Teppiche und alte Zinnkrüge standen einträchtig Seite an Seite mit moderner Kunst und Dekogegenständen aus Silber. Joe fand die Mischung in diesem überaus englischen Haus im Schutz der North Downs genau richtig.
Die große, schlanke Frau, die sich umdrehte, um sie zu begrüßen, als sie ihre Namen verkündet hörte, stammte jedoch direkt aus einem Londoner Salon. Dunkelrote Haare, kurz geschnitten und allmählich ergrauend, markante Gesichtszüge und ein hochmütiger Blick vermittelten Joe eine verstörende Ähnlichkeit mit der Tochter, die er nur im Tod gekannt hatte.
Mrs. Jagow-Joliffe war blass, aber gefasst, und trat in einem schwarzseidenen Nachmittagskleid auf sie zu. Sie nahm kurz Joes Hand und nickte den anderen beiden unbestimmt zu. Das leichte Zögern in ihrer Begrüßung machte Joe wachsam. Das Auftauchen des merkwürdigen Dreiergespanns schuf Probleme. Sie plante sicher instinktiv, nur mit Joe zu sprechen und die untergeordneten Beamten so lange in einen angemessen fernen Winkel des Hauses zu schicken. Joe stellte Armitage rasch als »meinen Kollegen« vor, und Westhorpe eilte mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Wir haben uns vor drei Jahren auf dem Ball von Lady Murchison kennengelernt, Mrs. Jagow-Joliffe, obwohl Sie mich in Uniform sicher nicht wiedererkennen. Mathilda Westhorpe. Mein Vater, General Westhorpe, lässt Sie herzlich grüßen und Ihnen natürlich sein Beileid aussprechen.«
»Nun, Sie setzen sich wohl besser. Ich lasse Tee bringen«, sagte Mrs. Jagow-Joliffe. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher