Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Faszination für die dekorativen Inhalte des Raumes ab und zog los, um den Rest des Hauses zu inspizieren. Er würde zurückkehren, um die korrekte Durchsuchungsprozedur minutiös durchzuführen, wenn er sich erst einmal einen Überblick verschafft hatte. Der Rest des Erdgeschosses war weniger interessant. Das Esszimmer war möbliert, sah jedoch so aus, als sei es nie in Gebrauch gewesen. Die Küche und die Vorratskammer waren seelenlos und ohne Inhalt. Der Kühlschrank, fiel ihm auf, enthielt Champagnerflaschen und trockenen Weißwein, aber das war auch schon alles. Im ersten Stock befanden sich ein Badezimmer, schlicht, aber mit dem Luxus einer Dusche, und zwei möblierte Schlafzimmer. Das größere von beiden, an der Vorderseite des Hauses mit Blick auf den Garten, lag auf einer Höhe mit den Wipfeln der gestutzten Bäume und war in Grün und Weiß dekoriert. Offensichtlich das Schlafzimmer von Dame Beatrice: die Kleiderschränke waren voll mit ihren Kleidern, die Schminkkommode enthielt Kosmetika und einen Flakon ihres Parfüms, bei dem es sich um Tabac Blond zu handeln schien. Er bewunderte die eckige Flasche mit der blassgoldenen Scheibe und der dicken, goldenen Kordel, sorglos um den Hals des Flakons geschlungen, und hob den Glaskorken. Der dunkle, herausfordernde Duft nach Wald, Farnen und Leder faszinierte ihn. Die Frau, die das trug, konnte er sich am Steuer eines offenen Cabrios vorstellen, wie sie vielleicht kurz anhielt, um eine Ledermütze aufzusetzen, ohne sie festzuzurren, bevor sie mit dem Fuß das Gaspedal durchdrückte. Einen Augenblick lang stellte er sich selbst auf dem Beifahrersitz vor, mit einem Küstenstreifen im Hintergrund. Er stopfte den Dschinn der Vorstellungskraft zurück in die Flasche mit dem Korken und ging zu dem anderen Schlafzimmer am hinteren Ende des Hauses, das er für das Gästezimmer hielt.
Endlich fand er eine dissonante Note. Der unordentliche Diwan - hier war er! Groß, niedrig, wuchtig und mit einem seidenen Überwurf in einer schmeichelnden, exotischen Farbe, die er für Maulbeere hielt, war er genau das, was er unter bohèmehaft verstand. Kissen, Troddeln, Streifen, Seide, bis auf den Boden reichend. Es gab keine anderen Möbel, abgesehen von einem schwarz-goldenen Lackparavent, der eine Ecke des Raumes abtrennte. Joe sah automatisch dahinter, fand aber nichts, außer einem bestickten, chinesischen Morgenmantel und einem sorglos hingeworfenen Seidenstrumpf. An der Wand hinter dem Bett hing ein verblüffendes Gemälde. Er erkannte den Stil. Modigliani. Ein Mädchen, dürr wie ein Zweig, das eigentlich zutiefst unattraktiv sein sollte, brachte es mit verzückten Augen und einer horizontal verlaufenden Pose irgendwie fertig, ein Gefühl der Erotik zu übermitteln. Er hielt das Dekor für bühnenhaft, die Theatralik unterstrichen von zwei übergroßen, ventilatorähnlichen Wandleuchten. Die Atmosphäre war bedrückend, das Zimmer sauerstoffarm und nach etwas duftend, was er mit etwas Besorgnis nicht identifizieren konnte.
Er ging zu dem einzigen Fenster und zog die schweren goldenen Vorhänge auf. Das frische Grün des verwilderten Gartens unter ihm unterstrich die Flitterhaftigkeit der Szenerie hinter ihm, und er öffnete das Fenster, um etwas Frühlingsluft hereinzulassen. Er beugte sich hinaus und sah, dass der Hintergarten umgrenzt war von einem Geräteschuppen und einer hohen Mauer mit einer Tür darin. Ein überaus praktischer Hintereingang, sagte sein professionelles Selbst zu ihm. Das Kommen und Gehen verlief nicht über die Vordertür und konnte vor den Nachbarn geheim gehalten werden.
Er schloss das Fenster und sah sich weiter um. Hatte sie hier ihr Stelldichein mit Donovan gehabt, wenn sie nicht im Ritz waren? Der Boden schien kürzlich gefegt worden zu sein; er fand weder in diesem noch in den anderen Räumen eine nachlässige Haushaltsführung. Ohne viel Hoffnung auf Erfolg nahm er seine Taschenlampe und suchte auf Händen und Knien auf dem Boden nach Spuren einer maskulinen Präsenz. Etwas Weißes zwischen den Parkettdielen zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Mit Hilfe einer Pinzette, die er sich vom Schminktisch von Dame Beatrice borgte, zog er - zu seiner Enttäuschung - nichts weiter als ein zerdrücktes Zigarettenende zwischen zwei Dielenbrettern hervor. Keine Lippenstiftspuren. Die Kippe schien ihr Leben als Kriegsmarinezigarette begonnen zu haben. Joe konnte sich das höhnische Lächeln von Donovan vorstellen. Der Commander auf Knien, wie er
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