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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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von einem Pfadfinderinnentreffen zurückgekommen, dunkelbraunes Haar, Zopf, eins fünfundsechzig groß…»
    «Lassen Sie doch diese albernen Einzelheiten, Slack», unterbrach Melchett ihn gereizt. «Die Tote war kein Schulmädchen. Meiner Meinung nach…»
    Das Schrillen des Telefons schnitt ihm das Wort ab. «Hallo, ja, ja, hier Polizeidirektion Much Benham – wie bitte? Augenblick…»
    Er hörte zu und schrieb eilig mit.
    «Ruby Keene», sagte er dann mit veränderter Stimme, «achtzehn, von Beruf Tänzerin, eins dreiundsechzig groß, schlank, platinblondes Haar, blaue Augen, Stupsnase, bekleidet vermutlich mit einem weißen pailettenbesetzen Abendkleid und silbernen Riemchenschuhen. Richtig? Wie bitte? Ja, kein Zweifel, würde ich sagen. Ich schicke sofort Slack rüber.»
    Er legte auf und sah seinen Untergebenen in wachsender Erregung an. «Sieht aus, als hätten wir’s. Das war die Polizei von Glenshire.» (Glenshire war die Nachbargrafschaft.) «Das Hotel Majestic in Danemouth hat eine Angestellte als vermisst gemeldet.»
    «Danemouth», sagte Inspektor Slack, «das passt schon eher.» Danemouth war ein großes, vornehmes Seebad.
    «Das ist nur etwa achtzehn Meilen von hier», sagte der Chief Constable. «Das Mädchen war im Majestic Eintänzerin oder so etwas. Ist gestern Abend nicht zur Arbeit erschienen – die Direktion war sehr ungehalten deswegen. Als sie heute früh immer noch nicht da war, hat eines von den anderen Mädchen oder sonst jemand Alarm geschlagen. Klingt alles etwas verworren. Sie fahren besser sofort hin, Slack. Melden Sie sich bei Superintendent Harper, und arbeiten Sie mit ihm zusammen.»
     

II
     
    Tatkräftiges Handeln war immer nach Inspektor Slacks Geschmack. Im Auto losbrausen, Leuten, die darauf brannten, ihm alles Mögliche zu erzählen, barsch über den Mund fahren, unter dem Vorwand dringender Notwendigkeit Gespräche abwürgen – das war Slacks Lebenselixier.
    Binnen unglaublich kurzer Zeit war er daher in Danemouth eingetroffen, hatte sich in der Polizeidirektion gemeldet und sich kurz mit dem ängstlich besorgten Hoteldirektor unterhalten, den er dann mit dem zweifelhaften Trost, bevor man Staub aufwirble, müsse man erst einmal sicherstellen, dass es sich wirklich um das Mädchen handle, hatte stehen lassen, um in Begleitung von Ruby Keenes nächster Verwandter nach Much Benham zurückzufahren.
    Er hatte dem Chief Constable seine Rückkehr mit einem kurzen Anruf angekündigt, so dass dieser darauf vorbereitet war, wenn auch nicht auf sein knappes «Das ist Josie, Sir.»
    Colonel Melchett maß seinen Untergebenen mit einem kühlen Blick. Hatte Slack den Verstand verloren?
    Die junge Frau, kaum aus dem Wagen ausgestiegen, rettete die Situation. «Das ist mein Künstlername», erklärte sie und ließ dabei zwei Reihen kräftiger weißer Zähne aufblitzen. «Raymond und Josie nennen wir uns, mein Partner und ich, und natürlich kennen mich alle im Hotel als Josie. Eigentlich heiße ich Josephine Turner.»
    Inzwischen war Colonel Melchett wieder Herr der Lage und bot Miss Turner einen Stuhl an. Während sie sich setzte, fasste er sie mit einem raschen, sachverständigen Blick ins Auge.
    Sie war eine hübsche, nur schwach geschminkte junge Frau im dunklen Schneiderkostüm, den dreißig vermutlich näher als den zwanzig. Ihr Aussehen verdankte sie eher einem gekonnten Make-up als den Gaben der Natur – nicht unbedingt der Typ, den man als eine Schönheit bezeichnet hätte, aber durchaus anziehend. Sie machte einen tüchtigen, gutmütigen Eindruck und schien eine Menge gesunden Menschenverstand zu besitzen. Ihrer ängstlich erregten Miene zum Trotz wirkte sie auf den Colonel nicht eben gramgebeugt.
    Nachdem sie Platz genommen hatte, sagte sie: «Es ist so furchtbar, dass man’s kaum glauben kann. Meinen Sie wirklich, es ist Ruby?»
    «Das werden wir wohl leider Sie fragen müssen, und ich fürchte, es wird ziemlich unangenehm für Sie werden.»
    «Sieht sie – sieht sie sehr schlimm aus?», fragte Miss Turner ängstlich.
    «Nun ja, ein Schock wird es schon sein.» Er reichte ihr sein Zigarettenetui, und sie bediente sich dankbar.
    «Soll ich – soll ich sie mir jetzt gleich anschauen?»
    «Das wäre wohl das Beste, Miss Turner. Sehen Sie, es hat wenig Zweck, dass wir Ihnen Fragen stellen, ehe wir Gewissheit haben. Am besten, wir bringen es hinter uns, meinen Sie nicht auch?»
    «Gut.»
    Sie fuhren zur Leichenhalle.
    Josie war kreidebleich, als sie nach kurzer Zeit wieder

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