Die Tote in der Bibliotek
sonst?»
«Könnte ich wohl kurz mit Ihnen reden, Mr. Blake?»
«Wer sind Sie?»
«Ich bin Colonel Melchett, der Polizeichef der Grafschaft.»
«Was Sie nicht sagen! Wie amüsant!»
Melchett folgte ihm ins Haus. Jetzt verstand er Colonel Bantrys heftige Reaktion. Auch ihn selbst juckte es in der Fußspitze, doch er riss sich zusammen und bemühte sich um einen verbindlichen Ton.
«Sie scheinen Frühaufsteher zu sein, Mr. Blake.»
«Von wegen. Ich war noch gar nicht im Bett.»
«Ach, ja?»
«Aber Sie sind ja wohl nicht hier, um Nachforschungen über meine Schlafenszeiten anzustellen, und wenn doch, dann verschwenden Sie damit Zeit und Geld der Grafschaft. Worüber wollen Sie denn mit mir reden?»
Colonel Melchett räusperte sich.
«Sie hatten letztes Wochenende einen Gast, wie ich höre, äh, eine blonde junge Dame.»
Basil Blake sah ihn an, warf den Kopf zurück und brach in brüllendes Gelächter aus.
«Haben die alten Klatschtanten Ihnen die Hölle heiß gemacht? Wegen meiner Moral? Moral ist aber kein Fall für die Polizei, verflucht noch mal, das dürfte Ihnen doch bekannt sein.»
«Ganz recht», erwiderte Melchett trocken, «Ihre Moral geht mich nichts an. Ich komme zu Ihnen, weil heute Morgen die Leiche einer blonden jungen Frau von etwas – äh – exotischem Äußerem gefunden wurde – ermordet.»
«Was?» Blake starrte ihn an. «Wo?»
«In Gossington Hall, in der Bibliothek.»
«In Gossington Hall? Beim alten Bantry? Na, großartig! Der alte Bantry! Sauber!»
Colonel Melchett lief puterrot an und schnitt den erneuten Heiterkeitsausbruch des jungen Mannes mit scharfen Worten ab. «Hüten Sie gefälligst Ihre Zunge, Sir. Ich bin hier, um zu sehen, ob Sie Licht in die Sache bringen können.»
«Sie wollen wissen, ob mir eine Blondine abhanden gekommen ist? Deswegen sind Sie hergekommen? Wieso sollte – hoppla, was war denn das?»
Draußen war mit quietschenden Bremsen ein Wagen vorgefahren. Heraus sprang eine junge Frau in einem weiten, pyjamaähnlichen schwarzweißen Anzug. Ihre Lippen waren scharlachrot, die Wimpern kohlschwarz, die Haare platinblond. Sie marschierte zur Haustür, stieß sie energisch auf und rief wütend: «Wieso bist du denn einfach abgehauen, du Mistkerl?»
Basil Blake hatte sich erhoben.
«Sieh einer an, da bist du ja! Natürlich bin ich abgehauen! Ich hab gesagt, wir gehen, aber du wolltest ja nicht!»
«Du denkst wohl, du brauchst nur mit dem Finger zu schnippen, und schon springe ich? Ich habe mich gerade blendend amüsiert.»
«Das kann man wohl sagen, und noch dazu mit diesem Fiesling Rosenberg. Du weißt doch, was das für einer ist.»
«Du warst ja bloß eifersüchtig.»
«Bilde dir nur nichts ein. Ekelhaft ist das, wenn eine keinen Alkohol verträgt und sich von so einem widerlichen Mitteleuropäer betatschen lässt.»
«Du verdammter Lügner! Du hast doch selber gebechert, was das Zeug hält, und dich an diese schwarze spanische Hexe rangemacht!»
«Wenn ich dich zu einer Einladung mitnehme, erwarte ich, dass du dich anständig benimmst.»
«Ich tanze nicht nach deiner Pfeife, merk dir das! Du hast gesagt, wir gehen zu der Party und kommen dann hierher. Aber ich bleibe auf einer Party, solange es mir passt.»
«Ja, und genau deshalb bin ich weg. Ich wollte nach Hause, also bin ich nach Hause. Ich häng doch da nicht stundenlang herum und warte auf so ein verrücktes Huhn.»
«Reizend, wirklich, ein wahrer Gentleman!»
«Aber lange hast du’s ja nicht ohne mich ausgehalten.»
«Ich wollte dir nur mal die Meinung sagen!»
«Wenn du glaubst, du kannst dich hier aufspielen, dann bist du schief gewickelt!»
«Und wenn du glaubst, du kannst mich herumkommandieren, dann bist du schief gewickelt!»
Die beiden starrten einander wütend an.
Colonel Melchett ergriff die Gelegenheit und räusperte sich vernehmlich. Basil Blake fuhr herum.
«Ach, Sie hab ich ja ganz vergessen. Darf ich vorstellen: Dinah Lee – Colonel Blimp von der hiesigen Polizei. So, Colonel, wird Zeit, dass Sie wieder abschwirren. Nachdem Sie jetzt gesehen haben, dass meine Blondine gesund und munter ist, können Sie sich ja um Colonel Bantrys Mieze kümmern. Habe die Ehre!»
«Ich kann Ihnen nur raten, junger Mann, halten Sie Ihr Mundwerk im Zaum, sonst kriegen Sie noch eine Menge Ärger.» Wutentbrannt stapfte Colonel Melchett davon.
Drittes Kapitel
I
I n seinem Dienstzimmer in Much Benham ließ Colonel Melchett sich von seinen Untergebenen genauestens Bericht
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