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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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war erst achtzehn, und in dem Alter übertreibt man gern ein bisschen. Aber in einem erstklassigen Hotel wie dem Majestic geht das nicht. Ständig hab ich mit ihr geschimpft deswegen und ihr gesagt, sie soll sich nicht so anmalen.»
    «War sie beliebt bei den Gästen?», fragte Colonel Melchett.
    «Ja, sehr. Bei den älteren Herren vielleicht mehr als bei den jungen. Sie war nicht übermäßig helle.»
    «Hatte sie einen speziellen Freund?»
    Josie sah ihn verständnisinnig an. «Nein, nicht wie Sie’s meinen. Jedenfalls weiß ich von keinem. Aber sie hätte es mir sowieso nicht gesagt.»
    Melchett fragte sich, weshalb nicht – Josie machte so gar nicht den Eindruck einer gestrengen Zuchtmeisterin. Aber er sagte nur: «Würden Sie mir jetzt bitte Ihre letzte Begegnung mit Ihrer Kusine beschreiben?»
    «Das war gestern Abend. Sie und Raymond gaben zwei Vorstellungen, eine um halb elf und eine um zwölf. Nach der ersten hat Ruby mit einem von den jungen Männern getanzt, die im Hotel wohnen. Ich selber habe im Gesellschaftsraum mit ein paar Leuten Bridge gespielt. Zwischen dem Gesellschaftsraum und dem Ballsaal ist eine große Glasscheibe, und durch die habe ich sie zum letzten Mal gesehen. Kurz nach Mitternacht kam Raymond fürchterlich aufgeregt zu mir und wollte wissen, wo Ruby sei. Die Vorstellung sollte anfangen, und sie war nicht da. Ich war vielleicht wütend, kann ich Ihnen sagen! Typisch für diese jungen Dinger – verderben sich’s mit der Direktion, und dann fliegen sie raus! Ich bin mit Raymond in ihr Zimmer rauf, aber da war sie auch nicht. Sie hatte sich umgezogen, denn das Kleid, das sie zum Tanzen angehabt hatte – eine rosa Tüllwolke mit weiten Röcken –, hing über einem Stuhl. Normalerweise hat sie zu beiden Vorstellungen dasselbe Kleid getragen, nur mittwochs nicht, da ist im Hotel Ballabend.
    Ich hatte keine Ahnung, wo sie hätte sein können. Der Kapelle haben wir gesagt, sie sollen noch einen Foxtrott spielen, und als dann immer noch keine Ruby da war, habe ich Raymond gesagt, ich springe für sie ein. Wir haben einen Tanz ausgesucht, der meinen Knöchel nicht zu sehr belastet, und haben’s kurz gemacht. Trotzdem hatte ich danach wieder schlimme Schmerzen, und heute ist der Fuß ganz dick. Von Ruby keine Spur. Bis zwei sind wir noch aufgeblieben und haben auf sie gewartet. Ich hatte eine solche Wut auf sie!»
    Ihre Stimme zitterte ein wenig, und Melchett hörte den Zorn deutlich heraus. Einen Moment lang wunderte er sich über diese in seinen Augen etwas übertriebene Reaktion. Er hatte das Gefühl, dass Josie ihm etwas verschwieg.
    «Und heute Morgen», fragte er, «als Ruby Keene immer noch nicht zurück und ihr Bett unberührt war, da haben Sie die Polizei verständigt?»
    Von Slacks kurzem Anruf aus Danemouth wusste er, dass sie es nicht getan hatte, aber er wollte die Antwort von ihr selbst hören.
    «Nein», erwiderte sie, ohne zu zögern.
    «Und warum nicht, Miss Turner?»
    Sie sah ihn offen an und sagte: «Das hätten Sie an meiner Stelle auch nicht getan.»
    «Nein?»
    «Ich musste doch an meine Stellung denken. Ein Skandal ist das Letzte, was ein Hotel gebrauchen kann. Und wenn dann noch die Polizei ins Haus kommt! Ich kam auch gar nicht auf die Idee, dass Ruby etwas passiert sein könnte. Keine Sekunde! Ich dachte, sie hat sich von irgendeinem jungen Mann beschwatzen lassen und wird schon wieder auftauchen. Dann wollte ich ihr ordentlich die Meinung sagen! Mädchen in diesem Alter sind ja so unvernünftig!»
    Melchett blätterte interessiert in seinen Notizen.
    «Ach ja, ich sehe gerade, ein Mr. Jefferson hat die Polizei verständigt. Ein Gast?»
    «Ja», erwiderte sie knapp.
    «Und wieso Mr. Jefferson?»
    Josie strich über ihren Ärmel. Sie wirkte irgendwie befangen. Es musste etwas geben, was sie nicht sagen wollte.
    «Er ist Invalide», antwortete sie widerstrebend. «Er – er regt sich immer gleich furchtbar auf. Vielleicht gerade deshalb.»
    Melchett ging zur nächsten Frage über: «Wer war der junge Mann, mit dem Ihre Kusine zuletzt getanzt hat?»
    «Er heißt Bartlett. Er wohnt seit ungefähr zehn Tagen im Hotel.»
    «Waren die beiden befreundet?»
    «Nicht direkt, würde ich sagen. Ich weiß zumindest nichts davon.»
    Wieder ein seltsam zorniger Unterton in ihrer Stimme.
    «Und was sagt er?»
    «Dass Ruby nach dem ersten Auftritt hinaufwollte, um sich die Nase zu pudern.»
    «Und da hat sie sich dann umgezogen?»
    «Ich nehm’s an.»
    «Und was weiter war, wissen

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