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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sagen.»
    «Und für Ruby Keene hat er sich interessiert?»
    «Er fand ihr Geplauder amüsant, nehme ich an.»
    «Haben seine Verwandten seine Vorliebe für sie geteilt?»
    «Sie waren immer ausgesprochen freundlich zu ihr.»
    Harper fragte: «Und Mr. Jefferson war es also, der Ruby bei der Polizei als vermisst gemeldet hat?»
    Er stellte die Frage in einem bewusst viel sagenden, vorwurfsvollen Ton, auf den der Direktor auch prompt reagierte.
    «Versetzen Sie sich doch einmal in meine Lage, Mr. Harper. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte. Bis Mr. Jefferson zu mir kam, in heller Aufregung. Das Mädchen sei über Nacht ausgeblieben, schon zu ihrem letzten Tanz sei sie nicht erschienen, sie müsse irgendwohin gefahren und möglicherweise verunglückt sein. Man müsse sofort die Polizei verständigen! Nachforschungen anstellen! Völlig außer sich war er und reichlich anmaßend. Er hat dann gleich von meinem Büro aus die Polizei gerufen.»
    «Ohne Miss Turner zu fragen?»
    «Ja, und dass Josie nicht sehr erbaut davon war, hat man ihr angesehen. Sie war wütend über die ganze Sache, wütend auf Ruby, meine ich. Aber was sollte sie machen?»
    «Am besten», sagte Melchett, «wir unterhalten uns einmal mit Mr. Jefferson persönlich, was, Harper?»
    Superintendent Harper war einverstanden.
     

II
     
    Mr. Prestcott ging mit ihnen in Conway Jeffersons Suite hinauf. Sie lag im ersten Stock, mit Blick aufs Meer.
    «Lässt sich’s offenbar gut gehen», sagte Melchett beiläufig. «Reicher Mann?»
    «Ja, sehr wohlhabend, glaube ich. Da wird an nichts gespart. Die besten Zimmer, Essen meist à la carte, teure Weine – alles vom Feinsten.»
    Melchett nickte.
    Mr. Prestcott klopfte an, und eine Frauenstimme sagte: «Herein!»
    Der Direktor trat ein, und die anderen folgten ihm.
    «Verzeihen Sie die Störung, Mrs. Jefferson», sagte er in bedauerndem Ton zu der Frau, die ihnen von ihrem Platz am Fenster aus entgegensah. «Aber die Herren sind von der Polizei und hätten gern ein paar Worte mit Mr. Jefferson gewechselt. Äh, Colonel Melchett, Superintendent Harper, Inspektor, äh, Slack – Mrs. Jefferson.»
    Mrs. Jefferson quittierte die Vorstellung mit einem Neigen des Kopfes.
    Eine unscheinbare Person, war Melchetts erster Eindruck. Doch als ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen trat und sie zu reden anfing, änderte er seine Meinung. Sie hatte eine außerordentlich charmante, sympathische Art zu sprechen und schöne, klare haselnussbraune Augen. Sie war dezent, aber nicht unvorteilhaft gekleidet und musste seiner Schätzung nach Mitte dreißig sein.
    «Mein Schwiegervater schläft gerade», sagte sie. «Er ist ohnehin nicht der Kräftigste, und diese Sache hat ihn furchtbar mitgenommen. Wir mussten den Arzt rufen, und der hat ihm ein Beruhigungsmittel gegeben. Sobald er aufwacht, wird er sich sicher gern mit Ihnen unterhalten. Kann ich Ihnen vielleicht solange weiterhelfen? Möchten Sie nicht Platz nehmen?»
    Mr. Prestcott, auf Flucht bedacht, fragte Colonel Melchett: «Nun, äh, wenn ich sonst nichts mehr für Sie tun kann…» Er zog sich dankbar zurück.
    Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, lockerte sich die Stimmung. Adelaide Jefferson besaß die Gabe, eine ruhige, entspannte Atmosphäre zu schaffen. Sie war eine Frau, die zwar selbst nichts Bemerkenswertes von sich gab, es aber verstand, andere zum Reden zu ermuntern und ihnen die Befangenheit zu nehmen. Auch jetzt traf sie den richtigen Ton.
    «Das war für uns alle ein furchtbarer Schock», sagte sie. «Wir waren sehr häufig mit dem armen Mädchen zusammen, müssen Sie wissen. Irgendwie können wir es noch gar nicht glauben. Mein Schwiegervater ist völlig außer sich. Er hatte Ruby sehr gern.»
    «Wie ich höre, hat Mr. Jefferson ihr Verschwinden der Polizei gemeldet?», fragte Colonel Melchett.
    Er wollte sehen, wie sie darauf reagierte. Einen Moment lang glomm Ärger in ihren Augen auf – oder war es Besorgnis? Was genau, hätte er nicht zu sagen gewusst, aber etwas war da, und er hatte das deutliche Gefühl, dass sie sich gleichsam für eine unangenehme Aufgabe wappnen musste, ehe sie fortfuhr.
    «So ist es», sagte sie. «In seinem Zustand regt er sich leicht auf und macht sich immer gleich Sorgen. Wir haben versucht, ihn zu beruhigen: Es sei alles in Ordnung, es gebe sicher eine ganz harmlose Erklärung, das Mädchen selbst würde bestimmt nicht wollen, dass man die Polizei ruft – aber er hat

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