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Die Tote in der Bibliotek

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Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hatte.
    Superintendent Harper neigte dazu, den tränennahen Mr. Prestcott mit Samthandschuhen anzufassen, Colonel Melchett tendierte eher zu rücksichtsloser Härte.
    «Was passiert ist, ist passiert», sagte er scharf. «Das Mädchen ist tot – erwürgt. Sie können von Glück sagen, dass es nicht in Ihrem Hotel passiert ist. Die Untersuchung findet in einer anderen Grafschaft statt, also besteht für den Ruf Ihres Hauses kaum eine Gefahr. Aber gewisse Ermittlungen müssen nun einmal durchgeführt werden, und zwar je eher, desto besser. Auf unsere Diskretion können Sie sich verlassen. Ich schlage also vor, Sie lassen das Herumgerede und kommen zur Sache. Was genau wissen Sie von Ruby Keene?»
    «Nichts weiß ich von ihr, rein gar nichts. Josie hat sie hierher gebracht.»
    «Und Josie ist schon länger hier?»
    «Zwei Jahre – nein, drei.»
    «Mögen Sie sie?»
    «Ja, Josie ist ein anständiges Mädchen, ein nettes Mädchen. Sehr tüchtig. Geschickt im Umgang mit den Leuten, glättet Differenzen – Sie wissen ja, Bridge ist ein etwas heikles Spiel…»
    Colonel Melchett nickte wissend. Seine Frau war eine leidenschaftliche, aber miserable Bridgespielerin.
    «Josie versteht es wunderbar, Unstimmigkeiten auszuräumen», fuhr Mr. Prestcott fort. «Sie kann sehr gut mit Menschen umgehen – freundlich, aber entschieden, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    Wieder nickte Melchett. Jetzt wusste er, woran ihn Josephine Turner erinnerte. Trotz ihrer schicken Aufmachung hatte sie entschieden etwas von einem Kindermädchen an sich.
    «Und ich bin auf sie angewiesen», fuhr Mr. Prestcott fort. Sein Gesicht legte sich in kummervolle Falten. «Was muss sie auch so blödsinnig auf glitschigen Steinen herumturnen? Wir haben hier doch einen schönen Strand! Warum kann sie nicht da baden? Rutscht aus und bricht sich den Knöchel! Das war nicht fair, mir und dem Hotel gegenüber! Ich bezahle sie schließlich dafür, dass sie tanzt und Bridge spielt und die Leute bei Laune hält, und nicht dafür, dass sie an einem Felsenstrand badet und sich den Knöchel bricht. Eine Tänzerin muss doch auf ihre Knöchel achten und darf kein Risiko eingehen. Ich bin sehr ungehalten!»
    Colonel Melchett unterbrach die Tirade des Direktors.
    «Und da hat Josie vorgeschlagen, das Mädchen herzuholen, ihre Kusine?»
    «Richtig», antwortete Prestcott unwirsch. «Das schien mir recht vernünftig. Mehr Geld wollte ich allerdings nicht ausgeben. Das Mädchen bekam Kost und Logis, über das Geld mussten sich die beiden untereinander einigen. So wurde das geregelt. Ich wusste von dem Mädchen überhaupt nichts.»
    «Aber sie hat sich bewährt?»
    «Durchaus, da gab es nichts zu beanstanden. Sie war zwar sehr jung und von der Aufmachung her etwas gewöhnlich für ein Haus wie unseres, aber sie hatte eine nette Art, ruhig und wohlerzogen. Gute Tänzerin. Die Leute mochten sie.»
    «Hübsch?»
    Eine Frage, die beim Anblick des blau geschwollenen Gesichts nicht zu beantworten gewesen war.
    Mr. Prestcott überlegte.
    «Es geht so. Etwas wieselhaft, wenn Sie verstehen, was ich meine. Hätte ohne Make-up nicht viel hergemacht. Aber so sah sie recht reizvoll aus.»
    «Sind viele junge Männer um sie herumscharwenzelt?»
    «Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Sir», Mr. Prestcott wurde wieder unruhig. «Also, ich habe nichts bemerkt. Nichts Besonderes jedenfalls. Ein paar von den Jungen sind ständig um sie herumgestrichen, aber alles ganz harmlos. Nichts in Richtung Erwürgen, würde ich sagen. Sie hat es auch mit älteren Leuten gut verstanden, hat so unbefangen drauflosgeplappert – ganz kindlich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Herrschaften fanden das amüsant.»
    «Mr. Jefferson auch?», fragte Superintendent Harper mit tiefer, melancholischer Stimme.
    Der Direktor bejahte.
    «Gerade an Mr. Jefferson hatte ich dabei gedacht. Sie war viel mit ihm und seiner Familie zusammen. Manchmal hat er sie auch auf Autofahrten mitgenommen. Mr. Jefferson hat gern junge Leute um sich und ist sehr nett zu ihnen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Als Invalide hat er nicht viel Bewegungsfreiheit, nur soweit sein Rollstuhl es zulässt. Aber er sieht es immer gern, wenn junge Leute sich vergnügen – schaut ihnen beim Tennis und beim Baden zu und dergleichen –, und er gibt hier im Haus Gesellschaften für sie. Er liebt die Jugend, und er ist keineswegs verbittert, wie man erwarten könnte. Ein sehr beliebter Herr und ein Mann von Charakter, würde ich

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