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Die Tote in der Bibliotek

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Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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dem dunklen Haar und der geschmeidigen Figur passte.
    Sir Henry fragte sich, wie alt der Mann sein mochte. Fünfundzwanzig, dreißig, fünfunddreißig? Er hätte es unmöglich sagen können.
    Raymond schüttelte leicht den Kopf und sagte: «Die lernt es nie.»
    «Ist das nicht furchtbar langweilig für Sie?», fragte Miss Marple.
    «Ja, manchmal schon. Besonders gegen Ende der Saison. Eine Zeit lang gibt einem der Gedanke an die Bezahlung Auftrieb, aber am Schluss kann auch das die Phantasie nicht mehr anregen!»
    Superintendent Harper stand unvermittelt auf. «Ich komme in einer halben Stunde wieder, wenn es Ihnen recht ist, Miss Marple», sagte er.
    «Wunderbar, danke. Ich warte hier auf Sie.»
    Harper entfernte sich. Raymond sah ihm nach und fragte dann: «Erlauben Sie, dass ich mich einen Moment zu Ihnen setze?»
    «Bitte», sagte Sir Henry. «Zigarette?» Er hielt ihm sein Etui hin und überlegte währenddessen, weshalb er diese leise Voreingenommenheit gegen Raymond Starr empfand. Weil er Tennistrainer und Eintänzer war? Wenn ja, dann war es nicht das Tennisspielen, das ihn störte, sondern das Tanzen. Wir Engländer, so schloss Sir Henry, misstrauen jedem Mann, der zu gut tanzt! Der Mensch bewegte sich einfach zu elegant! Ramon, Raymond – wie hieß er noch? Abrupt fragte er ihn danach.
    «Ramon war ursprünglich mein Künstlername», erklärte der andere belustigt. «Ramon und Josie, das klingt so schön spanisch, verstehen Sie? Aber es gab zu starke Vorurteile gegen Ausländer, und so wurde Raymond aus mir – sehr britisch –»
    «Und in Wirklichkeit heißen Sie ganz anders?», fragte Miss Marple.
    «Nein, Ramon ist mein richtiger Name, mein zweiter Vorname. Ich hatte eine argentinische Großmutter…» (Aha, daher der Hüftschwung, dachte Sir Henry nebenbei.) «Aber mein erster Vorname ist Thomas. Schrecklich prosaisch.»
    Er wandte sich an Sir Henry. «Kommen Sie nicht aus Devonshire, Sir? Aus Stane? Meine Familie stammt aus der Gegend. Aus Alsmonston.»
    Sir Henrys Miene hellte sich auf. «Sie sind einer von den Alsmonstoner Starrs? Das wusste ich ja gar nicht!»
    «Nein – das hatte ich auch nicht erwartet.» Leise Bitterkeit schwang in seinen Worten mit.
    «Ja, äh, Pech – und so weiter», sagte Sir Henry verlegen.
    «Dass das Schloss verkauft worden ist, nachdem es dreihundert Jahre in Familienbesitz war? Ja, das war allerdings Pech. Aber irgendwann müssen Leute wie wir wohl abtreten. Wir haben uns überlebt. Mein älterer Bruder ist nach New York gegangen. Ist im Verlagswesen tätig – es geht ihm gut. Die anderen sind über die ganze Welt verstreut. Es ist heute nicht einfach, Arbeit zu finden, wenn man nichts vorzuweisen hat als eine gute Schulbildung! Wer Glück hat, kommt als Empfangschef in einem Hotel unter. Herkunft und Manieren sind da von Vorteil. Aber ich habe nichts gefunden, nur eine Stelle als Verkäufer in einem Geschäft für sanitäre Anlagen. Exquisite pfirsichfarbene und zitronengelbe Bäder, riesige Ausstellungsräume. Aber da ich nie die Preise und Lieferfristen der verdammten Dinger wusste, hat man mich an die Luft gesetzt.
    Das Einzige, was ich wirklich konnte, war tanzen und Tennis spielen. In einem Hotel an der Riviera wurde ich genommen. Leicht verdientes Geld. Es ging mir gut dort. Aber dann war einmal ein alter Colonel im Hotel, so wie man sich einen alten Colonel vorstellt, uralt, britisch bis in die Knochen, so einer, der ständig von Indien schwadroniert. Geht zum Direktor und fragt in voller Lautstärke: ‹Wo ist der Gigolo? Ich brauch den Gigolo. Meine Frau und meine Tochter wollen tanzen, verstehen Sie? Wo steckt der Bursche? Was knöpft er einem ab? Wo bleibt er denn, der Gigolo?›
    Blöd, so empfindlich zu sein, aber ich war’s nun mal. Hab den Krempel hingeschmissen und bin hierher gekommen. Schlechtere Bezahlung, aber angenehmere Arbeit. Größtenteils Tennisstunden für vollschlanke Damen, die es nie und nimmer lernen werden. Und Tanzen mit den Mauerblümchen-Töchtern reicher Gäste. Aber so ist das Leben nun mal. So viel zum Thema Pech – tut mir Leid!»
    Er lachte. Seine Zähne blitzten weiß, und in den Augenwinkeln erschienen Fältchen. Plötzlich wirkte er wieder gesund und glücklich und sehr lebendig.
    «Schön, dass wir so miteinander plaudern können. Ich wollte Sie ohnehin sprechen.»
    «Wegen Ruby Keene? Da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Ich weiß nicht, wer sie umgebracht hat. Ich wusste überhaupt sehr wenig von ihr. Sie hat

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