Die Tote in der Bibliotek
zusammenhängen», erklärte Superintendent Harper weise. «In Mrs. Jefferson eine Tochter zu sehen war leichter für ihn als in Mr. Gaskell einen Sohn. Umgekehrt ist es ja genauso. Frauen nehmen den Schwiegersohn meist bereitwillig in die Familie auf, während sie die Frau des Sohnes nicht allzu häufig als Tochter akzeptieren.
Ist es Ihnen recht, Sir, wenn wir hier entlang zum Tennisplatz gehen? Ich sehe gerade, dass Miss Marple dort sitzt, und möchte sie um einen Gefallen bitten. Das heißt, eigentlich möchte ich Sie beide einspannen.»
«Und wofür, Superintendent?»
«Um mir Informationen zu beschaffen, an die ich selbst nicht herankomme. Ich möchte, dass Sie sich Edwards vornehmen, Sir.»
«Edwards? Was wollen Sie denn von ihm?»
«Alles, was Sie sich nur vorstellen können! Alles, was er weiß und was er denkt! Über die Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, über die Sache mit Ruby Keene. Interna. Er kennt die Lage der Dinge besser als jeder andere, darauf wette ich! Mir würde er nichts sagen, aber Ihnen. Vielleicht bringt uns das ja auf eine Spur. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben.»
«Nein, ich habe nichts dagegen», erwiderte Sir Henry grimmig. «Ich bin gerufen worden – und zwar dringend –, um die Wahrheit herauszufinden, und ich werde mein Bestes tun. Und wie soll Miss Marple Ihnen helfen?»
«Ich dachte da an die Mädchen. Diese Pfadfinderinnen. Wir haben jetzt etwa ein halbes Dutzend beisammen, diejenigen, die am engsten mit Pamela Reeves befreundet waren. Vielleicht wissen sie ja etwas. Sehen Sie, ich habe mir da so meine Gedanken gemacht. Hätte das Mädchen wirklich zu Woolworth gewollt, dann hätte sie sicher eine ihrer Freundinnen überredet mitzukommen. Mädchen gehen nicht gern allein einkaufen.»
«Da haben Sie sicher Recht.»
«Ich halte es für möglich, dass das mit Woolworth nur ein Vorwand war. Ich möchte herausfinden, wo Pamela Reeves wirklich war. Vielleicht hat sie irgendetwas angedeutet, und dann wäre Miss Marple genau die Richtige, um es aus den Mädchen herauszufragen. Mit Mädchen kennt sie sich aus, würde ich sagen – besser als ich. Und vor der Polizei hätten sie ohnehin Angst.»
«Klingt nach der Sorte dörflicher Probleme, die genau Miss Marples Fall sind. Sie ist sehr gewieft, wissen Sie.»
Der Superintendent lächelte. «Das kann man wohl sagen. Ihr entgeht so schnell nichts.»
Miss Marple sah auf, als sie herankamen, und begrüßte sie eifrig. Der Superintendent brachte seine Bitte vor, und sie sagte sofort zu.
«Ich möchte Ihnen schrecklich gern helfen, Superintendent, und vielleicht kann ich es ja wirklich. Die Sonntagsschule, wissen Sie, die Wichtel und unsere Pfadfinderinnen und das Waisenhaus hier in der Nähe – ich bin im Ausschuss, wissen Sie, und schaue oft auf einen Plausch mit der Leiterin dort vorbei, und dann die Dienstboten – normalerweise habe ich ganz junge Mädchen. Doch, ja, ich habe da reichlich Erfahrung und kann ganz gut beurteilen, ob ein Mädchen die Wahrheit sagt oder etwas verschweigt.»
«Sie sind also Expertin auf diesem Gebiet», sagte Sir Henry.
Miss Marple warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. «Lachen Sie nicht über mich, Sir Henry, ich bitte Sie.»
«Aber wo werd ich denn! So oft, wie Sie schon über mich lachen konnten!»
«Man sieht so viel Böses in einem Dorf», murmelte Miss Marple zur Erklärung.
«Übrigens», sagte Sir Henry, «ich habe einen Punkt geklärt, nach dem Sie mich gefragt hatten. In Rubys Papierkorb waren tatsächlich abgeschnittene Fingernägel, sagt der Superintendent.»
«Ja? Dann ist das…»
«Weshalb wollten Sie das denn wissen, Miss Marple?», fragte der Superintendent.
«Das war eines der Dinge, die – also, die irgendwie nicht in Ordnung waren, als ich mir die Leiche angesehen habe. Mit den Händen war etwas nicht in Ordnung, und erst kam ich nicht darauf, was. Dann fiel mir ein, dass Mädchen, die sich stark schminken und so weiter, normalerweise auch sehr lange Fingernägel haben. Es kann natürlich immer sein, dass jemand Nägel kaut. Das ist ja eine Angewohnheit, die man schwer wieder loswird, aber die Eitelkeit ist da ein guter Helfer. Trotzdem nahm ich an, dass die Tote sie nicht abgelegt hatte. Und dann hat dieser Junge – Peter, Sie wissen schon – etwas erzählt, woraus hervorging, dass Rubys Nägel lang gewesen waren. Sie hatte sich einen eingerissen, und da lag es nahe, dass sie die anderen auf gleiche Länge schneidet. Deswegen
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