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Die Tote in der Bibliotek

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Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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auch ausdrücklich gewarnt.»
    «Aber im vorliegenden Fall hat die Aufregung ihm nichts anhaben können», sagte Superintendent Harper langsam. «Ich meine, einen schlimmeren Schock hätte es doch kaum geben können, und trotzdem hat er überlebt.»
    Dr. Metcalf zuckte die Schultern. «Tja, aber wenn Sie meine Erfahrung hätten, Superintendent, dann wüssten Sie, dass man aus der Krankengeschichte eines Patienten unmöglich eine genaue Prognose ableiten kann. Leute, die eigentlich an einem Schock oder an Unterkühlung sterben müssten, sterben eben nicht an einem Schock oder an Unterkühlung et cetera, et cetera. Der menschliche Körper ist zäher, als man glaubt. Zudem führt meiner Erfahrung nach ein physischer Schock häufiger zum Tod als ein psychischer. Vereinfacht ausgedrückt: Eine zugeknallte Tür könnte Mr. Jefferson eher töten als die Nachricht, dass ein Mädchen, das er sehr gern hatte, auf grausame Weise umgekommen ist.»
    «Und wie erklärt sich das?»
    «Eine schlechte Nachricht löst fast immer eine Abwehrreaktion aus. Sie betäubt den Empfänger, so dass er – zunächst jedenfalls – unfähig ist, sie aufzunehmen. Es dauert eine Weile, bis sie ganz zu ihm durchdringt. Eine zugeknallte Tür aber, jemand, der plötzlich aus einem Schrank hervorspringt, ein aufheulender Motor beim Überqueren einer Straße – so etwas übt eine unmittelbare Wirkung aus. Das Herz macht vor Schreck einen Satz, um es laienhaft auszudrücken.»
    «Aber nach allem, was man weiß, hätte Mr. Jefferson durch den Schock wegen des Mordes an Ruby Keene ohne weiteres zu Tode kommen können?»
    «O ja, durchaus.» Der Arzt sah Harper neugierig an. «Sie glauben doch nicht…»
    «Ich weiß nicht, was ich glauben soll», erwiderte Superintendent Harper ärgerlich.
     

II
     
    «Aber Sie werden zugeben, dass die beiden Dinge bestens zusammenpassen», sagte er wenig später zu Sir Henry Clithering. «Man hätte damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erst das Mädchen, deren Tod dann auch Mr. Jefferson dahinrafft – ehe er Gelegenheit hatte, sein Testament zu ändern.»
    «Glauben Sie, er wird es ändern?»
    «Das müssten Sie besser wissen als ich, Sir. Was meinen Sie?»
    «Schwer zu sagen. Bevor Ruby Keene auf der Bildfläche erschien, wollte er sein Geld zwischen Mark Gaskell und Mrs. Jefferson aufteilen, wie ich zufällig weiß. Ich sehe keinen Grund, warum er seine Pläne jetzt ändern sollte. Aber auszuschließen ist es natürlich nicht. Vielleicht hinterlässt er das Geld ja einem Tierheim oder einer Stiftung für junge Berufstänzerinnen.»
    Superintendent Harper musste ihm Recht geben. «Man weiß nie, was für Verrücktheiten sich jemand plötzlich ausdenkt, besonders wenn er keine moralische Verpflichtung sieht, in bestimmter Weise mit seinem Vermögen zu verfahren. Keine Blutsbande in diesem Fall.»
    «Er mag den Jungen, den kleinen Peter», sagte Sir Henry.
    «Meinen Sie, er betrachtet ihn als seinen Enkel? Das wissen Sie sicher besser als ich, Sir.»
    «Nein, ich glaube nicht», erwiderte Sir Henry nachdenklich.
    «Und noch etwas würde ich Sie gern fragen, Sir. Ich selbst kann es nicht beurteilen, aber Sie als Freund der Familie können wahrscheinlich mehr darüber sagen. Ich wüsste zu gern, was Mr. Jefferson für Mark Gaskell und die junge Mrs. Jefferson empfindet.»
    Sir Henry runzelte die Stirn. «Ich bin nicht sicher, ob ich Sie recht verstehe, Superintendent.»
    «Ich meine es so: Was bedeuten sie ihm als Menschen, unabhängig von seiner besonderen Beziehung zu ihnen?»
    «Ah, jetzt verstehe ich.»
    «Es besteht ja kein Zweifel, dass er sehr an den beiden hing. Aber aus meiner Sicht hing er an ihnen, weil Mrs. Jefferson die Frau seinen Sohnes und Mark Gaskell der Mann seiner Tochter war. Was wäre gewesen, wenn beispielsweise einer von beiden wieder geheiratet hätte?»
    Sir Henry überlegte. «Eine interessante Frage, die Sie da stellen. Ich weiß es nicht. Ich neige zu der Annahme – aber das ist meine ganz persönliche Meinung –, dass sich seine Haltung dadurch nicht unerheblich geändert hätte. Er hätte ihnen alles Gute gewünscht, ohne jeden Groll, aber ich glaube – ja, ich glaube eher, dass er sich dann nicht mehr groß für sie interessiert hätte.»
    «Das gilt für beide?»
    «Ich denke schon. Für Mr. Gaskell so gut wie sicher und für Mrs. Jefferson vermutlich auch, wenn auch bei weitem nicht so sicher. Sie mochte er wohl um ihrer selbst willen.»
    «Das könnte mit dem Geschlecht

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