Die Tote ohne Augen
Weickerding, eingetroffen. Er hatte die Hand genauestens untersucht und war
sich sicher, dass der Rest der Leiche auch noch in diesem Weiher liegen müsste
„Der Hund hat höchstwahrscheinlich die Hand von der Leiche abgerissen. So wie
das hier aussieht, ist die Hand noch nicht lange vom Rest des Körpers ab. Das
sehe ich hier an den Muskelfasern und vor allem an den fehlenden Sehnenteilen.
Eine Sehne reißt immer an der Stelle ab, wo sie am schwächsten ist. Das ist in
diesem Falle, da es sich um eine stark verweste Hand handelt, an der Hand
selbst nahe den Fingergelenken. Ich gehe also davon aus dass am Armstumpf noch
etwa 10 Zentimeter lange Sehnenstücke hängen müssen. Aber dazu muss ich erst
den Rest des Leichnams haben. Haben die Herren von der Polizei schon die
Wassertemperatur gemessen?“
„Ja, das haben sie“, entgegnete
einer der Polizisten im weißen Overall. „Die Temperatur beträgt gerade mal acht
Grad.“
„Danke. Wenn die Leiche also
sofort nach ihrem Tod hier ins Wasser geworfen wurde und der Rest genau so
aussieht wie diese Hand, ist sie seit etwa 4 Wochen tot.“ Da hatte Maria einen
schrecklichen Verdacht. Sie rief sofort den Staatsanwalt an.
„Herr Dr. Root, Sie sind ja noch
im Büro? Ja? Gut, schauen Sie mal im Zentralrechner nach, wann eine
Vermisstenanzeige aufgegeben wurde. Der Name der vermissten Person ist Frau
Kathia Momsen. Ja, ich warte.“ Sie nahm währenddessen ihren Notizblock aus der
Tasche. „Nein? Niemand vermisst gemeldet? Danke.“ Mittlerweile hatten die
Bewohner aus Etteldorf Wind von der ganzen Sache bekommen und einige hatten
sich schon auf den Weg zum Weiher gemacht. Und natürlich hatte einer die Presse
informiert. Lokalreporter Jo, der für die Nietschtal News schreibt, war schon
vor Ort. Bevor Maria ihn erblickt hatte, hatte er schon ein paar Bilder
geschossen. Sie ließ die Streifenpolizisten, die als erste vor Ort waren, den
Wald noch weiträumiger absperren und forderte noch ein paar Mann Verstärkung an,
um der Schaulustigen Herr zu werden. Der Bürgermeister redete ebenfalls auf die
Bewohner ein, sie sollten doch bitte die Polizei ihre Arbeit machen lassen. „Gut,
wenn alle Schaulustigen weg sind, können wir mit der Suchaktion beginnen. Maria
war eindeutig Chefin am Ort des Geschehens. Auch für sie war so ein Fall etwas
Außergewöhnliches im sonst so ruhigen Nietschtal.
Zwei Taucher in voller Montur,
mit einer Leine gesichert machten sich ins kalte Wasser. Zwei Feuerwehrmänner
mit Helm und Schwimmweste bekleidet, begleiteten sie im Boot. „Lieber sie als
ich“ “, meinte Henry, der sich gerade überlegte, ob er dem Drängen der
Opposition nicht doch nachgeben solle und den Freiwilligen endlich eine kleine
finanzielle Entschädigung seitens der Gemeinde genehmigen soll. Es dauerte
nicht lange, bis einer der Taucher auftauchte und etwas zu einem der Männer im
Ruderboot sagte. Dieser reichte dem Mann eine Leine. Der tauchte wieder hinab.
Jeder, der am Rande des Weihers stand, wartete gespannt, was die Taucher wohl
bergen würden. Plötzlich tauchten beide auf. Sie schleppten einen Plastiksack
ans Ufer. Der Mitarbeiter der technischen Einheit der Polizei zog sich ein
zweites paar Handschuhe an und eine Einwegatemmaske. Er öffnete den Sack. Er
bekam ein Bild zu sehen, das sein Gehirn nie mehr verlassen sollte. Eine nackte
Frauenleiche lag halbverwest neben ein paar Steinen im Sack. Eine Hand fehlte.
Ihre Augenhöhlen waren leer, anstelle ihrer Brüste war nur noch ein braunes
schleimiges Etwas. Vom Brustbein bis zum Schambein hatte sie eine große Öffnung,
die, so wie es aussah, zwar vernäht worden war, allerdings hatte die Naht nicht
gehalten und der Rest der verfaulten Gedärme hing heraus. Trotz Atemmaske war
der Gestank unerträglich. Maria, die schon viel gesehen hatte, musste sich
zwingen, nicht zu erbrechen. Sie hatte vor langen Jahren während ihrer
Ausbildung an einem einwöchigen Seminar für Gerichtsmedizin teilgenommen, hatte
dort leider nur Drogentote und Unfallopfer zu Gesicht bekommen. Aber nie eine
halbverweste und dermaßen verunstaltete Leiche. Der Gerichtsmediziner machte
sich sofort ans Werk. Er schoss ein paar Bilder vom Leichnam und sah sich alles
genau an. „Wenn ich sie drehe, zerfällt sie noch mehr in Stücke“, erklärte er
Maria. Diese wollte aber gar nicht so richtig hinschauen. „Können Sie was
Genaues sagen, wie Todeszeitpunkt, wer sie war und so weiter?“
„Nein, kann ich nicht. Sie muss
zuerst in mein
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