Die Tote ohne Augen
Zimmer und setzten sich zu Mike an den
Tisch. Maria begann: „Herr Lüttich, können Sie uns erklären, warum Sie geflüchtet
sind?“ Keine Antwort. „Herr Lüttich, bitte! Wenn Sie nichts sagen, bringt das
uns überhaupt nicht weiter. Wie Sie wissen, wirkt es sich strafmildernd auf Sie
aus, wenn Sie kooperieren!“ „Strafmildernd für einen Mörder“, dachte Sven. „Ob
lebenslänglich oder strafmildernd lebenslänglich, wo ist da der Unterschied?“
Aber er verstand auch, dass Maria den Verdächtigen zum Reden bringen wollte.
Mike Lüttich sah vom Tisch auf. Zuerst auf Maria, dann auf Sven und schließlich
auf den Staatsanwalt. Er war kreidebleich und unter seinen Augen hatten sich
schwarze Ringe gebildet. Er war in den letzten zwei Stunden um zehn Jahre
gealtert. „Ich war’s nicht.“ Er sprach so leise, dass man ihn kaum verstehen
konnte. „Ich habe sie nicht umgebracht. Es war genauso, wie ich Ihnen erzählt
habe. Nachdem meine zwei Pferde gestorben sind, hat Kathia sich freigenommen.
Sie fuhr weg. Ich habe sie danach nicht mehr gesehen und auch nichts mehr von
ihr gehört.“ Dicke Tränen quollen aus den Augen. „Ich hätte ihr nie etwas antun
können! Ich habe sie geliebt.“ Maria sah Mike fragend an. „Sie haben sie
geliebt? Warum haben Sie uns nicht erzählt dass Sie, nachdem Frau Momsen weg
war, ihr Zimmer bis auf das letzte Staubkorn geputzt haben?“
„Woher wissen Sie das?“
„Wir wissen es. Die technische
Polizei hat das festgestellt. Und dann natürlich meine Hauptfrage: Warum sind Sie
geflohen?“
Mike schluchzte. Mit leiser, fast
flüsternder Stimme sagte er: „Als Kathia damals angefangen hat, war ich noch
mit Josefa zusammen. Aber Kathia war anders. Sie war jung, hübsch und teilte
meine Begeisterung für Pferde. Ich hatte ein Verhältnis mit ihr, da war Josefa
noch da. Ich liebte Josefa, aber ich liebte Kathia auch. Ich konnte mich nicht
entscheiden. Ich wollte beide nicht verlieren. Doch als ich sah, wie sehr
Kathia sich für die Tiere interessierte und mir wirklich zur Seite stand und
mir half, habe ich mich für sie entschieden. Ich sagte Josefa damals, sie solle
gehen, ich würde nichts mehr für sie empfinden. Obwohl das nicht stimmte.
Keiner außer Kathia und mir wussten von unserer Beziehung. Deshalb hat sie auch
ihr Zimmer behalten und wir haben uns nur privat getroffen, wenn niemand anders
auf der Anlage war. Als ich sie in der Zeit, in der sie bei ihrer Freundin aus
dem Heim war, nicht erreichte, bekam ich Panik. Ich wusste ja ganz genau, dass
sie psychisch labil war wegen ihrer Kindheit. Ich machte mir große Sorgen. Als Sie
mir erzählt haben, sie sei tot, habe ich ihr ganzes Zimmer geputzt. Ich wusste
ja, dass Sie irgendwann hier auftauchen würden, um alles zu durchsuchen. Und da
wollte ich sichergehen, dass auch unsere Beziehung geheim bliebe. Meine
Hauptkunden sind Kinder. Stellen Sie sich vor, im Dorf würde erzählt, dass der
Lüttich etwas mit seiner viel jüngeren Pferdewirtin hat. Dann könnte ich die
Anlage gleich schließen. Aber ich habe sie das letzte Mal gesehen, als sie hier
vom Hof ging. Ich schwöre auf die Köpfe aller meiner Pferde, dass ich sie nicht
getötet habe.“
„So weit, so gut“, meinte Sven
„Das habe ich und, ich glaube auch, die anderen hier im Raum verstanden. Aber Sie
haben Frau Ferreiras Frage nicht beantwortet. Deshalb frage ich Sie noch
einmal: Warum sind Sie geflohen?“
„Ich bekam Panik. Ich sah meine
Reitschule den Bach runtergehen. Ich wollte einfach nur weg! Weg von Ihnen und
vor allem weg von den Erinnerungen. Die schnellste und einfachste Art und Weise
war zu fliehen. Und ich dachte schon aufs Aufgeben, als ich an Ihnen vorbeigeritten
bin. Aber ich konnte Malpira einfach nicht zum Stehen bringen, ich habe sie
angetrieben und bin dann über den Zaun weg in den Wald.“
„Sie hätten aber besser daran
getan, aufzugeben“, sagte Maria. „Was denken Sie, werden wir mit Ihnen tun? Ich
glaube nicht, dass wir Sie einfach laufen lassen können. Sie sind
Hauptverdächtiger in einem Mordfall und es besteht absolute Fluchtgefahr.“
„Sie müssen mich gehen lassen,
wer kümmert sich denn bitte um meine Tiere?“
Jetzt mischte sich auch der
Staatsanwalt ein „Ich habe jetzt genug gehört. Herr Lüttich, ich erkläre Sie für
vorläufig festgenommen. Die Polizei bringt Sie jetzt in eine Zelle. Ich hole
einen Termin beim Haftrichter. Frau Ferreira, bitte veranlassen Sie einen
Transport dieses Herrn ins Gefängnis. Wer
Weitere Kostenlose Bücher