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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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aufhören, und sieh sie dir jetzt an. Eine Maschine atmet für sie. Sie hat ein Loch im Hals. Und gestern habe ich Lucy dabei erwischt, wie sie im Garten eine Zigarette geraucht hat.«
    »Seit wann raucht sie?« fragte ich niedergeschlagen. »Keine Ahnung. Du siehst sie öfter als ich.« »Ist sie da?«
    »Augenblick.« Sie knallte den Hörer laut irgendwohin.
    »Frohe Weihnachten, Tante Kay«, sagte Lucy, und sie klang überhaupt nicht froh.
    »Für mich waren es auch nicht gerade frohe Tage«, sagte ich. »Wie war es bei Großmutter?«
    »Sie hat angefangen zu weinen, und wir haben nicht verstanden, was sie zu sagen versuchte. Und dann hatte Mutter es plötzlich eilig, weil sie zum Tennis verabredet war.«
    »Tennis? Seit wann spielt sie Tennis?« »Sie ist wieder mal auf einem Fitneß-Trip.« »Sie hat gesagt, daß du rauchst.« »Ich rauche nicht viel«, tat Lucy meine Bemerkung ab. »Lucy, laß uns darüber reden. Du brauchst nicht noch eine Sucht.« »Ich bin nicht süchtig.«
    »Das habe ich auch gedacht, als ich in deinem Alter zu rauchen anfing. Aufzuhören war das Schwierigste, was ich je durchgemacht habe. Es war die Hölle.«
    »Ich weiß, wie schwer es ist, etwas aufzugeben. Ich habe nicht die Absicht, mich in eine Situation zu bringen, die ich nicht unter Kontrolle habe.«
    »Gut.«
    »Ich fliege morgen nach Washington zurück.«
    »Ich dachte, du wolltest mindestens eine Woche in Miami bleiben?«
    »Ich muß zurück nach Quantico. Irgend etwas stimmt nicht mit CAIN. Die ERF hat sich heute nachmittag mit mir in Verbindung gesetzt.«
    In der Engineering Research Facility, der Technischen Forschungsabteilung, erprobte und entwickelte das FBI streng geheime Technologien, angefangen von Überwachungsgeräten bis hin zu Robotern. Und dort hatte Lucy das Crime Artificial Intelligence Network, CAIN, aufgebaut.
    CAIN war ein zentralisiertes Computersystem, das Polizeidezernate und andere Ermittlungsbehörden mit einer riesigen Datenbasis verband, die vom Violent Criminal Apprehension Program, VICAP, dem Programm zur Aufklärung von Gewalttaten, erstellt worden war. Der springende Punkt war, die Polizei zu informieren, wenn sie es mit einem Gewalttäter zu tun hatte, der schon früher irgendwo vergewaltigt oder gemordet hatte. Falls erforderlich, konnte Wesleys Abteilung eingeschaltet werden, wie es hier in New York geschehen war.
    »Gibt es Probleme?« fragte ich beunruhigt, weil es erst vor kurzem ein ernstes Problem gegeben hatte.
    »Nicht, wenn man dem Benutzerprotokoll glaubt. Niemand ist aufgelistet, der das System nicht benutzen darf. Aber CAIN scheint Meldungen zu verschicken, ohne dazu instruiert worden zu sein. Seit einer Weile gehen hier merkwürdige Dinge vor sich, aber bislang ist es mir nicht gelungen, der Sache auf den Grund zu kommen. Es ist, als ob er selbständig denken würde.«
    »Ich dachte, darum ginge es bei künstlicher Intelligenz.«
    »Nicht ganz«, sagte meine Nichte, die den IQ eines Genies hatte. »Das sind keine gewöhnlichen Meldungen.«
    »Kannst du mir ein Beispiel nennen?«
    »Okay. Gestern hat die britische Transport Police einen Fall in ihr VICAP-Terminal eingegeben. In einer U-Bahn im Zentrum Londons wurde jemand vergewaltigt. CAIN hat die Sache bearbeitet, Einzelheiten mit der Datenbasis verglichen und sich beim Terminal gemeldet, an dem die Eingabe stattgefunden hat. Der ermittelnde Beamte wurde aufgefordert, weitere Informationen über den Täter zu liefern. Insbesondere wollte CAIN wissen, welche Farbe das Schamhaar des Täters hatte und ob das Opfer einen Orgasmus hatte.«
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich.
    »CAIN wurde nie auf auch nur entfernt ähnliche Fragen programmiert. Ganz offensichtlich gehört so etwas nicht zur VICAP-Routine. Der Londoner Beamte war fassungslos und hat die Angelegenheit seinem Chef erzählt, der den Direktor von Quantico angerufen hat, der seinerseits dann Benton Wesley informierte.«
    »Und Benton hat dich angerufen?« fragte ich.
    »Er ließ jemanden von der ERF bei mir anrufen. Er kommt morgen zurück nach Quantico.«
    »Ich verstehe.« Ich ließ mir nicht anmerken, daß es mir durchaus etwas ausmachte, wenn Wesley morgen oder wann auch immer nach Quantico zurückkehrte, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. »Und es besteht kein Zweifel daran, daß der Beamte in London die Wahrheit gesagt hat - daß er sich nicht das Ganze als eine Art Scherz ausgedacht hat?«
    »Sie haben uns einen Ausdruck gefaxt, der laut ERF authentisch ist. Nur

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