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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wollte unbedingt Polizist werden. Das sagen sie immer. «
    Die Abfallsäcke waren schwer, ein ekliger Geruch drang oben heraus, wo sie zugebunden waren. Ich fing an, sie zu Tisch acht hinüberzutragen.
    »Sag mir bitte, warum irgendein Mensch so etwas will, Polizist werden?« Marino wurde immer wütender, als er nach einem Sack griff und mir folgte.
    »Wir wollen etwas bewirken«, sagte ich. »Wir wollen die Dinge irgendwie besser machen.«
    »Richtig«, sagte er sarkastisch. »Davila hat wahnsinnig viel bewirkt. Er hatte die Dinge wahnsinnig viel besser gemacht. «
    »Nimm ihm das nicht weg«, sagte ich. »Das Gute, das er getan hat und noch getan hätte, ist alles, was von ihm übrig ist.«
    Eine Säge begann zu kreischen, Wasser plätscherte, und Röntgenstrahlen legten Kugeln und Knochen bloß in diesem Theater mit dem schweigsamen Publikum und den toten Darstellern. Commander Penn kam herein, ihre Augen über der Maske blickten erschöpft. Sie wurde begleitet von einem dunklen jungen Mann, den sie als Detective Maier vorstellte. Er zeigte uns die Fotos von den Schuhabdrücken im Schnee des Central Park.
    »Der Maßstab stimmt in etwa«, erklärte er. »Ich gebe zu, es wäre besser, wenn wir die Abdrücke kriegen könnten.«
    Aber die hatte NYPD, und ich hätte gewettet, daß die Transit Police sie nie zu Gesicht bekommen würde. Frances Penn sah ganz anders aus als die Frau, die ich am Abend zuvor besucht hatte, und ich fragte mich, warum sie mich tatsächlich eingeladen hatte. Was hätte sie mir anvertraut, wären wir nicht in die Bowery gerufen worden?
    Wir begannen, die Säcke aufzubinden und ihren Inhalt auf dem Tisch auszubreiten, abgesehen von den stinkenden Wolldecken, die Bennys Zuhause gewesen waren und die wir zusammengefaltet auf den Boden legten. Seine Habseligkeiten waren eine merkwürdige Zusammenstellung, wofür es nur zwei mögliche Erklärungen geben konnte. Entweder hatte Benny mit jemandem zusammengelebt, der ein Paar Männerstiefel Größe 40 1/2 besessen hatte. Oder die Sachen von jemandem, der ein Paar Männerstiefel Größe 40 1/2 hatte, waren irgendwie in seinen Besitz gekommen. Benny selbst hatte Schuhgröße 44.
    »Was hat uns Benny heute morgen mitzuteilen?« fragte Marino.
    Detective Maier antwortete. »Er behauptet, dieses Zeug hier habe eines Tages einfach auf seinen Decken gelegen. Er ist angeblich auf die Straße hinaufgegangen, und als er zurückkam, war es da, in dem Rucksack.« Er deutete auf einen schmutzigen grünen Stoffrucksack, der viele Geschichten zu erzählen hatte.
    »Wann war das?« fragte ich.
    »Tja, das weiß Benny nicht mehr so genau. Eigentlich weiß er nichts genau. Aber er meint, es wäre in den letzten Tagen gewesen.«
    »Hat er gesehen, wer den Rucksack dagelassen hat?« fragte Marino.
    »Angeblich nicht.«
    Ich hielt ein Foto neben die Sohle eines Stiefels und verglich. Größe und Art der Naht waren identisch. Benny hatte irgendwie Hab und Gut der Frau geerbt, die Gault im Central Park umgebracht hatte. Wir schwiegen, während wir jedes einzelne Ding beiseite legten, von dem wir glaubten, daß es ihr gehört hatte. Mir war schwindlig, und ich fühlte mich erschöpft, während wir darangingen, aus einer billigen Flöte und ein paar Lumpen ein Leben zu rekonstruieren.
    »Können wir ihr nicht einen Namen geben?« sagte Marino. »Es stört mich, daß sie keinen Namen hat.« »Wie würden Sie sie gern nennen?« fragte Commander Penn. »Jane.«
    Detective Maier sah zu Marino. »Sehr originell. Wie lautet ihr Nachname? Doe?«
    »Besteht die Möglichkeit, daß die Saxophonmundstücke Benny gehören?« fragte ich.
    »Glaub ich nicht«, meinte Maier. »Er sagt, sein ganzes Zeug sei in dem Sack da. Und mir ist nicht bekannt, daß Benny irgendwelche musikalischen Neigungen hätte.«
    »Manchmal spielt er eine unsichtbare Gitarre«, sagte ich und dachte an Bennys Vorstellung am Bellevue-Hospital.
    »Das würden Sie auch, wenn Sie Crack rauchen würden. Und das ist alles, was er tut. Betteln und Crack rauchen.«
    »Früher muß er doch etwas anderes getan haben«, sagte ich.
    »Er war Elektriker. Seine Frau hat ihn verlassen.«
    »Das ist kein Grund, in eine Mülltonne zu ziehen«, sagte Marino, der auch von seiner Frau verlassen worden war. »Es muß mehr dahinterstecken.«
    »Drogen. Er ist auf der anderen Straßenseite im Bellevue gelandet. Dort haben sie ihn ausgenüchtert und entlassen. Immer und immer wieder.«
    »Hat Benny vielleicht ein Saxophon gehabt, das er

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