Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Boden liegt, treten die Täter meist mehrmals zu und in verschiedene Körperregionen. Außerdem sollte dann auch seine andere Gesichtshälfte, die auf dem Boden aufgelegen hätte, Verletzungen aufweisen.«
    Ein Zug fuhr vorbei. Lichtkegel erkundeten die Dunkelheit, die dazugehörigen Gestalten blieben Schatten, deren Stimmen kaum zu hören waren.
    »Er wurde mit einem Tritt außer Gefecht gesetzt und dann mit seiner eigenen Waffe erschossen«, sagte ich.
    »Wir müssen ihn ins Leichenschauhaus bringen«, sagte die Ärztin.
    Commander Penns Augen waren weit geöffnet, sie sah verwirrt und wütend aus.
    »Er war es, nicht wahr?« sagte sie zu mir.
    »Er hat seine Opfer auch früher schon getreten.«
    »Aber warum? Er hat eine eigene Waffe, eine Glock. Warum hat er die nicht benutzt?«
    »Das Schlimmste, was einem Polizisten passieren kann, ist, mit der eigenen Waffe erschossen zu werden.«
    »Dann hätte Gault es also absichtlich getan, um die Polizei... uns zu demütigen?«
    »Er findet so etwas komisch«, sagte ich.
    Wir gingen zurück entlang der Gleise und stiegen über Abfall, in dem es vor Ratten wimmelte. Ich spürte, daß Commander Penn weinte. Minuten verstrichen.
    »Davila war ein guter Polizist«, sagte sie. »Er war immer hilfsbereit, beklagte sich nie, und sein Lächeln... Es hat einen ganzen Raum aufgehe itert.« Sie klang jetzt maßlos wütend. »Er war noch ein gottverdammtes Kind.«
    Ihre Polizisten waren um uns herum, aber nicht in unmittelbarer Nähe. Ich blickte in den Tunnel und dachte an diese unterirdische Welt des Subway-Systems voller Kurven und Windungen. Die Obdachlosen besaßen keine Taschenlampen, und ich fragte mich, wie sie überhaupt etwas sahen. Wir kamen an einem weiteren verwahrlosten Lager vorbei, wo ein Weißer, der mir vage bekannt erschien, saß und Crack rauchte, als ob es so etwas wie Recht und Ordnung nicht gäbe. Als mein Blick auf seine Baseballkappe fiel, registrierte ich zuerst nicht, was ich sah. Dann blieb ich stehen und starrte ihn an.
    »Benny, Benny, Benny. Schäm dich«, sagte ein Polizist ungehalten. »Komm schon. Du weißt doch, daß das verboten ist, Mann. Wie oft müssen wir dir das denn noch erklären?«
    Benny war es gewesen, der mich tags zuvor ins Leichenschauhaus gejagt hatte. Ich erkannte seine Armeehose, seine Cowboystiefel und seine blaue Jeansjacke wieder.
    »Na los, nehmt mich doch mit«, sagte er und zündete seine Pfeife wieder an.
    »O ja, wir werden deinen Arsch einsperren, genau. Ich hab die Nase voll von dir.«
    Leise sagte ich zu Commander Penn: »Seine Kappe.« Es war eine dunkelblaue oder schwarze Atlanta-Braves-Kappe.
    »Einen Augenblick«, sagte sie zu ihren Leuten. Dann wandte sie sich an Benny. »Woher hast du die Kappe?«
    »Keine Ahnung«, sagte er und nahm sie von einem Büschel schmutzigen grauen Haars. Seine Nase sah aus, als hätte eine Ratte daran herumgenagt.
    »Du weißt es sehr wohl«, sagte Frances Penn.
    Er starrte sie mit irrem Ausdruck an.
    »Benny, woher hast du die Kappe?« fragte sie noch einmal.
    Zwei Beamte zerrten ihn auf die Beine und legten ihm Handschellen an. Unter der Decke lagen Taschenbücher, Zeitschriften, Feuerzeuge, kle ine Plastiktütchen, mehrere Energieriegel, zuckerfreier Kaugummi, eine Flöte aus Metall und eine Schachtel mit Saxophonmundstücken. Ich sah Commander Penn an, und sie erwiderte meinen Blick.
    »Nehmt alles mit«, wies sie ihre Leute an.
    »Ihr könnt mir meinen Platz nicht nehmen.« Benny wehrte sich gegen die Beamten. »Ihr könnt mir meinen verdammten Platz nicht nehmen.« Er stampfte auf. »Du gottverdammter Mistkerl... «
    »Du machst es nur schlimmer, Benny.« An jedem Arm hielt ihn ein Polizist fest.
    »Rührt nichts ohne Handschuhe an«, befahl Commander Penn.
    »Keine Sorge.«
    Sie warfen Bennys irdische Besitztümer in Abfallsäcke, die sie zusammen mit seinem Eigentümer Richtung Ausgang schafften. Ich ging mit meiner Taschenlampe hinter ihnen her, die Dunkelheit eine stille Leere, die Augen zu haben schien. Ich wandte mich mehrmals um, sah aber nichts außer einem Licht, das ich für einen Zug hielt, bis es sich auf einmal zur Seite bewegte. Dann wurde es zu seiner Taschenlampe, die einen Betonbogen erhellte, durch den Temple Gault ging. Er war eine harte Silhouette in einem langen dunklen Mantel, sein Gesicht blitzte weiß auf. Ich griff nach Frances Penns Arm und schrie.

8
    Mehr als dreißig Polizisten durchkämmten die Bowery und die Subway während der Nacht. Niemand wußte,

Weitere Kostenlose Bücher