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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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möglicherweise versetzt hat?« fragte ich.
    »Keine Ahnung«, sagte Maier. »Benny behauptet, das sei alles.«
    Ich dachte an den Mund der Frau, die wir jetzt Jane nannten, und wie abgeschliffen ihre Vorderzähne gewesen waren. Der Zahnarzt hatte das auf Pfeiferauchen zurückgeführt.
    »Wenn sie seit langem Klarinette oder Saxophon gespielt hat, würde das ihre beschädigten Vorderzähne erklären«, sagte ich.
    »Was ist mit der Flöte?« fragte Commander Penn.
    Sie beugte sich über eine goldfarbene Flöte mit einem roten Mundstück. Sie stammte von einer britischen Firma namens Generation und sah alles andere als neu aus.
    »Wenn sie oft darauf gespielt hat, hat das ihre Zähne vermutlich weiter abgeschliffen«, sagte ich. »Interessant ist, daß es eine Alt-Flöte ist und die Mundstücke zu einem AltSaxophon passen. Vielleicht hat sie irgendwann einmal in ihrem Leben ein Alt-Saxophon gespielt.«
    »Vielleicht bevor sie am Kopf verletzt wurde«, sagte Marino.
    »Vielleicht«, sagte ich.
    Wir durchsuchten ihre Sachen und interpretierten sie, wie manche Leute auch aus Teeblättern lesen. Sie hatte zuckerfreien Kaugummi gemocht und Sensodyne-Zahnpasta benutzt, was angesichts ihrer Zahnprobleme einleuchtete. Sie hatte eine schwarze Männerjeans Größe 32/34 besessen. Die Hose war alt, die Aufschläge waren hochgerollt, was nahelegte, daß sie die Jeans von jemandem geschenkt bekommen oder in einem Secondhandladen gekauft hatte. Jedenfalls war sie ihr zum Zeitpunkt ihres Todes viel zu groß gewesen.
    »Steht fest, daß die Jeans nicht Benny gehört?« fragte ich.
    »Er behauptet, daß sie ihm nicht gehört«, sagte Maier. »Seine Sachen sind in dem Sack, sagt er.« Er deutete auf einen prallen Sack am Boden.
    In einer Gesäßtasche der Jeans fand ich ein rotweißes Schildchen aus Papier, das identisch war mit den Schildchen, die Marino und ich im Museum of Natural History bekommen hatten. Es war rund, so groß wie ein Silberdollar und hing an einem Faden. Auf einer Seite stand Besucher, auf der anderen war das Logo des Museums.
    »Das sollte auf Fingerabdrücke untersucht werden«, sagte ich und legte es in eine Tüte. »Sie muß es berührt haben. Oder Gault hat es berührt, als er den Eintritt bezahlte.«
    »Warum hat sie es aufgehoben?« fragte Marino. »Normalerweise nimmt man es beim Hinausgehen ab und wirft es weg.«
    »Vielleicht hat sie es in die Tasche gesteckt und vergessen«, sagte Commander Penn.
    »Es könnte ein Souvenir sein«, schlug Maier vor.
    »Es sieht nicht so aus, als hätte sie Souvenirs gesammelt«, sagte ich. »Sie scheint vielmehr sehr genau gewußt zu haben, was sie behalten will und was nicht.«
    »Wollen Sie damit andeuten, daß sie das Schildchen behalten hat, damit es jemand findet?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    Marino zündete sich eine Zigarette an.
    »Da liegt natürlich die Frage nahe, ob sie Gault kannte«, sagte Maier.
    »Wenn sie ihn kannte«, sagte ich, »und wenn sie wußte, daß sie in Gefahr schwebte, warum ist sie dann mit ihm nachts in den Park gegangen?«
    »Tja, das paßt nicht zusammen«, Marino stieß eine dicke Rauchwolke aus. Seine Maske hatte er heruntergezogen.
    »Es paßt nur nicht zusammen, wenn sie sich vollkommen fremd waren«, sagte ich. »Vielleicht hat sie ihn also doch gekannt«, sagte Maier. »Vielleicht«, meinte auch ich.
    Ich durchsuchte die anderen Hosentaschen und fand 82 Cent, ein Saxophonmundstück, auf dem herumgekaut worden war, und mehrere ordentlich gefaltete Papiertaschentücher. Wir begutachteten ein blaues Sweatshirt, Größe Medium, aber was immer vorne draufgestanden hatte, war zu verblaßt, um es noch lesen zu können.
    Sie hatte zudem zwei graue Jogginghosen besessen und drei Paar Sportsocken mit farbigen Streifen. In einer Tasche des Rucksacks fanden wir ein gerahmtes Foto von einem gescheckten Hund, der im Schatten von Bäumen saß. Der Hund schien denjenigen, der das Foto aufgenommen hatte, anzugrinsen, während eine verschwommene Gestalt im Hintergrund zusah.
    »Das muß auf Fingerabdrücke untersucht werden«, sagte ich. »Wenn man es schräg hält, sieht man Abdrücke auf dem Glas.« »Ich wette, das ist ihr Hund«, sagte Maier.
    »Erkennt man, wo es aufgenommen wurde?« fragte Commander Penn.
    Ich betrachtete das Foto genauer. »Eine flache Landschaft. Die Sonne scheint. Keine tropische Vegetation. Wie eine Wüste sieht es auch nicht aus.«
    »Mit anderen Worten, es könnte fast überall sein«, sagte Marino.
    »Fast«,

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