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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wie Gault in das Tunnelsystem eingedrungen war - wenn er es überhaupt verlassen hatte, nachdem er Jim Davila umgebracht hatte. Wir hatten keinen blassen Schimmer, wie er herausgekommen war, nachdem ich ihn gesehen hatte, aber er war herausgekommen.
    Am nächsten Morgen fuhr Wesley zum Flughafen La Guardia, und Marino und ich nahmen ein Taxi zum Leichenschauhaus. Dr. Jonas war nicht da, ebensowenig Dr. Horowitz, aber man teilte mir mit, daß Commander Penn und einer ihrer Detectives hier wären und wir sie in der Röntgenabteilung finden würden.
    Marino und ich schlüpften leise wie ein Paar, das zu spät in eine Kinovorstellung kommt, in den Raum, und dann verloren wir uns in der Dunkelheit aus den Augen. Ich vermutete, daß er sich an eine Wand lehnte, weil er in Situationen wie dieser bisweilen Probleme mit dem Gleichgewicht hatte. Man fühlt sich leicht wie unter Hypnose und gerät ins Schwanken. Ich ging zu dem stählernen Tisch, wo dunkle Gestalten um Davilas Leiche herumstanden und ein Lichtstrahl seinen geschundenen Kopf erforschte.
    »Ich hätte gern zu Vergleichszwecken einen der Abdrücke«, sagte jemand.
    »Wir haben Fotos von den Schuhabdrücken. Ich habe sie dabei.« Ich erkannte Commander Penns Stimme.
    »Sehr gut.«
    »Die Abdrücke selbst sind im Labor.« »In einem von Ihren?«
    »Nein, nicht in unserem«, sagte Commander Penn. »Bei NYPD.«
    »Die Abschürfung und das Muster der Quetschung hier stammen vom Absatz.« Das Licht hielt unterhalb des Ohres inne. »Die Wellenlinien sind ziemlich deutlich, in der Abschürfung selbst sind keine Spuren. Hier ist noch einmal ein Abdruck, den ich aber nicht klar erkennen kann. Diese Quetschung sieht aus wie ein Fleck mit einem kleinen Schwanz. Ich weiß nicht, was das ist.
    »Wir können versuchen, das Bild zu vergrößern.«
    »Genau.«
    »Was ist mit dem Ohr selbst? Irgendwelche Abdrücke?«
    »Schwer zu sagen, aber es wurde entweder gespalten oder aufgeschlitzt. Die gezackten Ränder sind nicht abgeschürft und durch Gewebeteilchen miteinander verbunden. Und angesichts der halbrunden Verletzungen hier unten« der in einem Latexhandschuh steckende Finger deutete auf die Stelle -»würde ich sagen, daß der Absatz das Ohr zerschmettert hat.«
    »Und deswegen ist es gespalten.«
    »Ein einziger, überaus kräftiger Tritt.«
    »Stark genug, um ihn zu töten?«
    »Vielleicht. Das werden wir sehen. Ich tippe darauf, daß das linke Schläfenbein Frakturen aufweist und sich ein großes epidurales Hämatom finden wird.«
    »Da würde ich wetten.«
    Die behandschuhten Hände hantierten mit Pinzette und Licht. Ein schwarzes, ungefähr fünfzehn Zentimeter langes Haar klebte am blutigen Kragen von Davilas Pullover. Das Haar wurde entfernt und in einen Umschlag gelegt. Ich legte die Brille mit den getönten Gläsern auf einen Wagen und schlüpfte zur Tür hinaus. Marino folgte mir.
    »Wenn das Haar von ihm ist«, sagte er im Flur, »dann hat er sich wieder gefärbt.«
    »Das habe ich erwartet«, erwiderte ich und dachte an die Silhouette, die ich am Abend zuvor gesehen hatte. Gaults Gesicht war sehr weiß gewesen, aber über sein Haar konnte ich nichts sagen.
    »Er hat also vielleicht keine roten Haare mehr.« »Vielleicht hat er mittlerweile lila Haare.« »Wenn er seine Haare ständig färbt, werden sie ihm bald ausfallen.«
    »Das ist unwahrscheinlich«, sagte ich. »Aber vielleicht ist es auch nicht von ihm. Dr. Jonas hat ungefähr so langes schwarzes Haar. Und sie war der Leiche gestern abend sehr nahe.«
    Wir hatten grüne Anzüge, Handschuhe und Gesichtsmasken an und sahen aus wie ein Chirurgenteam, das eine riskante Operation, zum Beispiel eine Herztransplantation, durchführen wollte. Männer trugen eine Ladung armseliger Fichtensärge, die für Potter's Field, die Heimstatt der Heimatlosen, bestimmt waren, an uns vorbei, und hinter gläsernen Wänden begannen die morgendlichen Autopsien. Bislang waren nur fünf Fälle eingeliefert worden, darunter ein Kind, das offensichtlich eines gewaltsamen Todes gestorben war. Marino wandte den Blick ab.
    »Scheiße«, murmelte er mit dunkelrotem Gesicht. »Der Tag fängt ja gut an.«
    Ich schwieg.
    »Davila war erst seit zwei Monaten verheiratet.«
    Es gab nichts, was ich darauf hätte sagen können.
    »Ich hab mit ein paar Leuten gesprochen, die ihn kannten. «
    Die persönliche Habe des Cracksüchtigen namens Benny war auf Tisch vier abgelegt worden, und ich beschloß, sie weiter von dem toten Kind wegzutragen.
    »Er

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