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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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spürte, daß Marino zu mir blickte, während Carrie Grethen ihr Bestes gab, um ihren Kunden in Ekstase zu versetzen. Die Drogen schienen zu wirken, und gleichgültig was sie tat, Sheriff Brown war nicht in der Lage, sein letztes Vergnügen auf Erden bis zum Schluß zu genießen. Lucy hielt den Blick tapfer auf den Bildschirm gerichtet. Sie sah mit an, wie ihre frühere Geliebte an diesem dickbäuchigen, berauschten Mann eine obszöne Handlung nach der anderen vollzog.
    Das Ende schien vorhersagbar. Carrie würde eine Waffe ziehen und ihn ins Jenseits befördern. Aber es kam anders. Nach achtzehn Minuten hörte man Schritte in Browns Schlafzimmer, und ihr Komplize kam ins Bild. Temple Gault trug einen schwarzen Anzug und ebenfalls Chirurgenhandschuhe. Er schien nicht die leiseste Ahnung zu haben, daß jeder Lidschlag und jedes Schniefen aufgezeichnet wurde. Er blieb am Fußende des Bettes stehen und sah zu. Brown hatte die Augen geschlossen. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt bei Bewußtsein war.
    »Die Zeit ist um«, sagte Gault ungeduldig.
    Seine blaßbla uen Augen schienen den Bildschirm zu durchdringen. Sie blickten direkt in unser Besprechungszimmer. Er hatte sein Haar nicht wieder gefärbt, es war noch immer karottenrot und glatt aus der Stirn gekämmt. Er knöpfte sein Jackett auf und zog eine Glock-Neunmillimeter-Pistole. Lässig ging er zum Kopfende des Bettes.
    Carrie sah zu, wie Gault die Pistolenmündung zwischen die Augen des Sheriffs plazierte. Sie hielt sich mit den Händen die Ohren zu. Mein Magen verkrampfte sich, und ich ballte die Fäuste, als Gault auf den Abzug drückte und die Pistole abprallte, als wäre sie erschrocken über das, was sie gerade getan hatte. Wir saßen schockiert da, während der Sheriff in seiner Agonie noch kurz zuckte und sich wand. Carrie stieg von ihm herunter.
    »Oh, verdammt«, sagte Gault und sah auf seine Brust. »Er hat mich vollgespritzt.«
    Carrie zog das Taschentuch aus der Brusttasche seiner Anzugjacke und tupfte ihm Hals und Revers ab.
    »Man sieht nichts mehr. Gut, daß du Schwarz trägst.«
    »Zieh dich an«, sagte er, als ob ihn ihre Nacktheit anwiderte. Seine Stimme klang jugendlich uneben und leise. Er ging zum Fußende des Bettes und nahm die dunklen Kleidungsstücke.
    »Was ist mit seiner Uhr?« Carrie sah auf das Bett hinunter. »Es ist eine Rolex. Eine echte, Baby, aus Gold. Das Armband ist auch echt.«
    »Zieh dich jetzt an«, herrschte Gault sie an.
    »Ich will mich nicht schmutzig machen«, sagte sie und ließ das blutverschmierte Taschentuch auf den Boden fallen, wo es die Polizei später finden sollte.
    »Dann hol den Sack rein«, befahl er ihr.
    Er schien sich an den Kleidungsstücken, die er auf die Kommode gelegt hatte, zu schaffen zu machen, aber der Kamerawinkel war so ungünstig, daß wir es nicht genau sehen konnten. Carrie kam mit dem schwarzen Leichensack zurück.
    Gemeinsam entsorgten sie Browns Leiche, und zwar auf eine Art, die sowohl gewissenhaft als auch gut geplant wirkte. Zuerst zogen sie ihm den Schlafanzug an, warum, wußten wir nicht. Blut spritzte auf die Schlafanzugjacke, als Gault ihm die Mülltüte über den Kopf stülpte. Anschließend band er sie mit einem Schnürsenkel von den Joggingschuhen im Schrank fest.
    Sie hoben die Leiche vom Bett in den schwarzen Sack, der auf dem Boden ausgebreitet lag. Gault hielt Brown unter den Armen, Carrie nahm ihn bei den Knöcheln. Sie legten ihn in den Sack und zogen den Reißverschluß zu. Wir sahen, wie sie Lamont Brown hinaustrugen und hörten Geräusche von der Treppe. Minuten später kam Carrie noch einmal schnell herein, holte die Kleidungsstücke und ging wieder. Das Schlafzimmer war leer.
    »Besseres Beweismaterial gibt es nicht«, sagte Tucker angespannt. »Stammen die Handschuhe aus dem Leichenschauhaus?«
    »Wahrscheinlich aus dem Kombi, den sie gestohlen haben«, antwortete ich. »In jedem Wagen ist eine Schachtel mit Handschuhen.
    »Das war noch nicht alles«, sagte Marino.
    Er ließ das Band im Schnellauf vorspielen, und wir sahen nach wie vor das leere Schlafzimmer, bis plötzlich eine Gestalt hereinkam. Marino drückte die Rücklauftaste, und die Gestalt hastete rückwärts aus dem Zimmer.
    »Diese Szene spielt sich genau eine Stunde elf Minuten später ab«, sagte Marino und drückte auf den Knopf.
    Carrie Grethen kam in das Schlafzimmer, gekleidet wie Gault. Wäre das weiße Haar nicht gewesen, hätte ich sie für Gault gehalten.
    »Was? Sie hat seinen Anzug an?«

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