Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Ihre genau prüfen müssen. Dazu gehört auch, dass wir uns ein Bild von Ihrer Person machen. Alles Weitere werden wir entscheiden, sobald wir mit dem Arzt gesprochen haben.«
Das Telefonat kostete Leo Wechsler Geduld und Mühe. Der alte Hausarzt gestand, dass er trotz seiner Zweifel einen Totenschein ausgestellt hatte, weil er es nicht übers Herz brachte, der trauernden Schwester seinen Verdacht mitzuteilen. Er hatte sich erst nach zwei Tagen dazu durchgerungen, die Polizei zu verständigen.
»Sie wissen, dass Sie damit gegen die Vorschriften verstoßen haben«, sagte Leo streng.
»Ja, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich kenne die Familie schon lange und … Frau Lehnhardt war so verzweifelt. Auch kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass es kein natürlicher Tod war, aber die Umstände sind sonderbar.«
»In welcher Hinsicht, Herr Dr. Behnke?«, fragte Leo und öffnete sein Notizbuch.
»Der Tod ist sehr schnell eingetreten, ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Die Atemgeräusche, die auf Wasser in der Lunge hinweisen und sich als feuchtes Rasseln darstellen, waren deutlich zu vernehmen.«
»Verstehe ich Sie richtig, dass Wasser in der Lunge und ein Lungenödem gleichbedeutend sind?«
»Streng genommen, spreche ich von Flüssigkeitsansammlungen, bei denen es sich nicht zwingend um Wasser handeln muss, aber im Grunde haben Sie recht.«
»Ist es nicht denkbar, dass dieses Lungenödem durch die Entzündung hervorgerufen wurde?«
»Schwerlich, Herr Kommissar. Es tritt beispielsweise bei Herzerkrankungen auf, aber gemeinhin nicht in Verbindung mit Symptomen wie Fieber und Übelkeit, über die die Patientin klagte.«
»Könnte sie an einer Herzkrankheit gelitten haben?«
»Dafür waren keinerlei Anzeichen zu erkennen, Herr Kommissar, und ihr Neffe versicherte mir, sie sei stets bei guter Gesundheit gewesen.«
Leo überlegte kurz. »Verstehe, Herr Dr. Behnke. Ich werde eine Sektion der Leiche veranlassen. Morgen schicke ich einen Beamten bei Ihnen vorbei, der Ihre Aussage zu Protokoll nimmt. Auf Wiederhören.«
»Dr. Stratow, wir müssen so schnell wie möglich einen Ersatz für Frau Dr. Strauss finden«, sagte der Direktor des Luisenkrankenhauses zum Leiter der Abteilung für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe. »Das derzeitige Patientenaufkommen macht dies dringend erforderlich. Mich interessiert nicht, ob Sie Vorbehalte gegen eine rasche Neubesetzung der Position haben, mir geht es nur um die reibungslosen Abläufe in dieser Klinik.«
Rudolf Stratow seufzte innerlich. Hier im Allerheiligsten des Professors war vom hektischen Klinikalltag nichts zu spüren. Dunkel getäfelte Wände, deckenhohe Regale, gerahmte Urkunden, Briefbeschwerer aus Kristall, lederne Schreibunterlage – ein Herrenzimmer wie aus dem vergangenen Jahrhundert. Über allem lag der süße Duft der Pfeife, die zwischen den Zähnen des Direktors klemmte.
»Herr Professor, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass wir umsichtig vorgehen und eine sorgfältige Auswahl treffen sollten, was die – wie soll ich sagen – wissenschaftlichen Ansichten der Bewerber angeht.«
Professor Wilhelm Liesegang schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen über seine halbe Brille hinweg an.
Stratow sah ihm unverwandt in die Augen. »Frau Dr. Strauss war gewiss eine ausgezeichnete Ärztin, aber ihrer Natur nach eher praktisch orientiert. Damit will ich sagen, dass ihr die Arbeit mit den Patientinnen mehr am Herzen lag als die wissenschaftlichen Aspekte ihres Berufs. Für unsere Abteilung wünsche ich mir einen Arzt, der die Bedeutung unserer Forschung anerkennt und sich nach Kräften dafür einsetzt. Ich denke, Sie wissen, was ich meine, Herr Professor. Es geht um die Zukunft der Medizin.«
3
Gewöhnlich fiel es Leo nicht schwer, seine Fälle vertraulich zu behandeln, doch als er Clara an diesem Abend im Wohnzimmer gegenübersaß, konnte er nicht an sich halten.
»Henriette Strauss ist tot.«
Clara musste eine Sekunde überlegen, dann trat ein entsetzter Ausdruck in ihre Augen. »Die Ärztin aus Hiddensee, die ich am Strand getroffen habe? Die mir ihre Karte gegeben hat?«
Er nickte. »War da nicht etwas mit einem Salon für Frauen, zu dem sie dich einladen wollte?«
»Ja. Ich bin nie hingegangen, irgendwie war immer zu wenig Zeit. Und jetzt ist es zu spät.« Sie runzelte die Stirn. »Warum weißt du davon? Was ist passiert?«
»Laut Totenschein ist sie an einer
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