Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
war bestimmt einige Millionen Pfund wert. Abigail war ganz gewiss nicht bereit, ihr Vermögen zu teilen, ganz besonders nicht mit einem unehelichen Kind – dem Beweis für Arthurs Untreue. Wenn sie, Mabel, nun eins und eins zusammen zählte, dann würde sie nur zu einem einzigen Ergebnis kommen – einem Ergebnis, das ihr gar nicht behagte. Es schien jedoch die einzig richtige Lösung zu sein.
Mabel setzte sich wieder und faltete die Hände in ihrem Schoß. Ihre Stimme klang resigniert, als sie sagte: „So wie die Fakten liegen, spricht alles dafür, dass Sarah Miller von Abigailgetötet wurde. Meine Cousine hat ein Motiv, aber kein Alibi. Als ich Sarah fand, war sie höchstens zwei oder drei Stunden tot. Abigail erschien erst in der Halle, als die Polizei eingetroffen war. Sie gab vor, geschlafen zu haben. Tatsächlich hätte sie aber genügend Zeit gehabt, die Leiche fortzuschaffen, während ich in der Küche bei den Penroses war.“ Sie hob den Kopf und sah Victor ernst an. „Was verschweigen Sie mir, Victor?“
„Ich verstehe Sie nicht. Was Michael betrifft – ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt.“
„Was ist mit Trengove? Halten Sie mich nicht für dumm, ich spüre, dass Sie den Anwalt besser kennen, als Sie mir glauben machen wollen.“
„Sie haben wieder einmal recht, Mabel.“ Er sah sie zerknirscht an. „Alan Trengove und ich – ja, wir kennen uns, es handelt sich aber um eine rein private Angelegenheit, die nichts mit dem Fall hier zu tun hat. Das müssen Sie mir glauben.“
„Sie wollen mir sicher nicht sagen, welcher Art diese Angelegenheit ist?“, fragte Mabel skeptisch. „Victor Daniels, wieso sollte ich Ihnen vertrauen?“
Victor nahm Mabels Hand und drückte sie.
„Weil ich Sie mag und weil ich mir Sorgen um Sie mache.“ Er wich ihrem Blick aus, Mabel war jedoch geneigt, ihm Glauben zu schenken. „In meinem bisherigen Leben habe ich mich mit wenig Ruhm bekleckert, wie bei der Sache mit meiner Nichte, und auch die Geschichte mit Trengove gehört dazu. Später vielleicht, wenn wir uns besser kennen, werde ich Ihnen alles erzählen, bis dahin kann ich Sie nur bitten, mir zu glauben.“
Mabel entzog ihm nicht ihre Hand, als sie sagte: „Nun gut, aber ich muss Sie bitten, künftig ehrlich zu mir zu sein. Was schlagen Sie also vor?“
„Sie dürfen nicht mehr nach Higher Barton zurück, Mabel.“ Er klang so besorgt, wie lange niemand mehr zu Mabel gesprochen hatte. „Wenn Ihre Cousine herausfindet, was Sie wissen, sind Sie in großer Gefahr. Wir sollten den Brief der Polizei zeigen.“
Mabel schüttelte den Kopf. „Erst müssen wir weitere Beweise finden! Bisher wissen wir nur das, was in diesem Brief steht. Auch wenn alles so aussieht, als wäre Abigail die Täterin – ohne einen weiteren, einen sicheren Beweis wird uns niemand glauben. Wie Sie wissen, Victor, ist meine Cousine eine angesehene und beliebte Frau. Ich kann es ja selbst nicht fassen, dass sie etwas mit dem Mord zu tun haben soll, wie sollen wir da Inspektor Warden überzeugen?“ Sie sah Victor in die Augen, straffte die Schultern und sagte überzeugter, als es ihr zumute war: „Ich werde auf Higher Barton bleiben, denn nur so kann es mir gelingen, entweder Abigails Unschuld zu beweisen oder sie als Mörderin zu überführen.“
20
Erst als Mabel wieder auf dem Rückweg zum Herrenhaus war, fiel ihr ein, dass sie Victor nichts von dem verborgenen See und ihrem Verdacht, Sarah Millers Leiche könnte sich dort befinden, erzählt hatte. Die Nachricht, das Mädchen sei Arthurs leibliche Tochter gewesen, hatte alle anderen Gedanken aus Mabels Kopf verbannt, aber wie sie vorhin zu Victor gesagt hatte: Solange sie keine weiteren Beweise vorzulegen hatten, würde die Polizei nichts unternehmen. Und sicherlich auch nicht den See absuchen lassen. Hoffnung, das Gewässer könnte die Leiche von selbst freigeben, hegte Mabel nicht. Der Täter … oder die Täterin, wie Mabel in Gedanken bitter hinzufügte, hatte bestimmt dafür gesorgt, dass der Körper nicht wieder an die Wasseroberfläche hochtrieb.
Mabel versuchte, Abigail so unbefangen wie möglich gegenüberzutreten, es wollte ihr aber nicht gelingen, auf deren unbeschwertes Geplauder einzugehen. Während Abigail am Abend von der Teestunde bei Lord Cavendish erzählte und betonte, wie sehr der Herr enttäuscht gewesen sei, dass Mabel seiner Einladung nicht hatte Folge leisten können, bemühte sich Mabel um ein unverbindliches Lächeln und warf nur hin und wieder
Weitere Kostenlose Bücher