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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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oder auch nur den Pick-up zu finden, ist nahezu null. Bis Mitternacht ist der Ram längst in seine Einzelteile zerlegt und stückweise an jeden zweiten Schrottplatz in Leon verhökert worden.«
    »Das ist nicht der Grund«, erwiderte Felicia. »Ich ärgere mich, weil der Portier darauf bestanden hat, dass ich den Wagen im hintersten Winkel der Parkgarage abstellen soll.«
    »Fick den Portier.«
    »Habe ich bereits getan. Der Typ war früher mein Freund.«
    Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie fuhren schweigend in die zweite Etage. Diaz war damit beschäftigt, Felicias Enthüllung zu verarbeiten. Trotz des Rauchverbotsschildes über der Tastenleiste des Fahrstuhls klemmte eine qualmende Zigarette zwischen seinen Lippen.
    Sie fanden Bass Smallwood, einen gringo von gut einem Meter neunzig und knapp hundertzwanzig Kilo, auf dem Kingsize-Bett liegend vor, alle viere von sich gestreckt. Bis auf ein Paar schwarze Socken und mit gelben Smileys bedruckte Boxershorts war er völlig nackt. Unter den Strahlen der Deckenbeleuchtung glänzte sein Körper vor Schweiß.
    Der säuerliche Geruch von Erbrochenem hing in der Luft. In einer Zimmerecke stand ein Servierwagen mit den Überresten eines Steaks samt Beilagen. Auf dem abgenagten Steakknochen hatte sich ein kopulierendes Fliegenpärchen niedergelassen. Im stinkenden Luftraum über dem Bett drehte eine grün schillernde Fliege Loopings wie ein Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg auf einer Flugshow.
    Im Fernsehen lief eine telenovela ohne Ton.
    »Was ist hier passiert?«, wollte Diaz wissen.
    Armando betrat das Zimmer durch die gläserne Schiebetür vom Balkon, das Gesicht missmutig verzogen. »Nach der ganzen Sauferei hat er darauf bestanden, zu Mittag zu essen«, berichtete er. »Danach hat er gekotzt. Und jetzt fühle ich mich nicht besonders gut. Vielleicht hat er ja irgendeinen Virus aus Tejas eingeschleppt.«
    »Sei nicht albern«, knurrte Diaz. An diesem Nachmittag würde er Armando unter keinen Umständen zu seiner geliebten Carmen nach Hause gehen lassen. »Schaff Smallwood unter die Dusche. Bestell beim Zimmerservice ein Kännchen Kräutertee. Und dann sorg dafür, dass er sich anzieht. Du findest mich auf dem Balkon.«
    Nachdem Armando eine Weile an dem schlaffen Fleischgebirge gezerrt und gezogen hatte, das Bass Smallwood war, gelang es ihm, dem Texaner ein dumpfes Stöhnen zu entlocken. Smallwood schob den Oberkörper über den Bettrand und begann zu würgen. Dann verlor er das Gleichgewicht und rollte vollends aus dem Bett, wobei er Armando mit sich riss.
    »Hilf mir hier raus, Felicia«, flehte Armando irgendwo unter Smallwood.
    Felicia setzte sich angewidert auf das Fußende des Bettes und stellte den Ton des Fernsehers an. Auf dem Bildschirm fochten ein Mann mit einem bleistiftdünnen Schnurrbart und eine nur spärlich bekleidete Frau einen Streit aus. Kurz darauf wälzten sie sich auch schon ineinander verschlungen auf einer passenderweise bereitstehenden Couch. Umschnitt zur Werbung.
    Diaz kehrte kopfschüttelnd vom Balkon zurück. Zu dritt gelang es ihnen, Smallwood in die gekachelte Duschkabine zu schleifen und zu hieven, wo sie ihn den prasselnden kalten Wasserstrahlen überließen.
    Nachdem das erledigt war, wies Diaz Felicia an, sich den Rest des Tages freizunehmen. Das hatte sie sich verdient. Schließlich hatte sie nicht nur ihm, sondern auch sich selbst gerade erst den Arsch gerettet. Eine beherzte und professionelle Vorstellung von San Miguels erster Frau bei den Judiciales .
    Irgendwann später kroch Smallwood aus der Duschkabine und setzte sich, in einen viel zu knappen Hotelbademantel gewickelt, zu Diaz und Armando auf den Balkon. Diaz goss eine Tasse Kamillentee ein und stellte sie vor Smallwood ab. Der Texaner starrte stumm in die Tasse, aus deren gelblichen Tiefen jedoch weder Hoffnung noch irgendwelche heilsamen Visionen emporstiegen.
    Im Garten unter ihnen fiel Diaz ein Beet mit wild wuchernden blutorangefarbenen Lilien ins Auge. »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Smallwood zeigte keinerlei Reaktion. Diaz zündete sich eine Montana an.
    Die Nasenlöcher des Amerikaners weiteten sich, als er die türkische Tabakmischung roch. »Geben Sie mir eine davon«, verlangte er. »Und schaffen Sie diese Katzenpisse weg!« Er warf die Tasse samt Inhalt über die Balkonbrüstung. »Was ich brauche, ist ein gottverdammter Drink!«
    Während Diaz besänftigend auf ihn einredete, rief Armando erneut den

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