Die Tote von San Miguel
Rahmen der Beifahrertür schlug. Der peitschende Knall der feuernden Python, das Zickzackmuster, das durch die Scheibe des hinteren Beifahrerfensters lief, bevor sie zerbarst, und der Adrenalinschub, der Felicias Herz rasend schnell schlagenließ, folgten so dicht aufeinander, als ereignete sich alles gleichzeitig. Diaz riss die Hände in die Höhe, um sein Gesicht vor den umherschwirrenden Glassplittern zu schützen. Felicia biss sich die Unterlippe blutig. Mit einem Mal wirkten ihre Züge absolut konzentriert und wie versteinert, als die Reflexe ihrer früheren Laufbahn als Rallyefahrerin die Kontrolle übernahmen und der Wagen plötzlich beschleunigte.
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, schrie der Indianer, der jetzt endgültig die Grenze zum Wahnsinn überschritten hatte, während er dem Polizeiwagen über die abschüssige Straße hinterherjagte. Der Ram schlingerte wild hin und her, seine Reifen quietschten wie panikerfüllte Schweine im Schlachthaus. Zwei Frauen, die Umhängetaschen mit den Einkäufen des Tages nach Hause schleppten, quetschten sich schutzsuchend in einen Türeingang. Einem alten Mann fiel das kostbare Gebiss aus dem Mund, als er mit vor Schreck heruntergeklapptem Unterkiefer dem Slalom fahrenden Pick-up hinterherstarrte.
»Kopf unten halten!«, befahl Felicia knapp. Ihre Stimme klang eiskalt und beherrscht. Die Heckscheibe implodierte in einer Kaskade herumwirbelnder Glasfragmente. Ein Splitter streifte ihre Kehle und hinterließ einen blutigen Schnitt in ihrer Haut. Eine zweite Kugel zertrümmerte das Radio im Armaturenbrett. »Ich muss raus aus der Schusslinie!«
Diaz lehnte sich halb aus dem Beifahrerfenster heraus und versuchte, einen Schuss auf ihren Verfolger abzugeben. Ein völlig aussichtsloses Unternehmen, da der Polizeiwagen die steil abschüssige Straße in einem irrsinnigen Tempo wild hüpfend und schlingernd hinabraste.
Vor ihnen kam die Einmündung einer schmalen Gasse inSicht, kaum mehr als ein Spalt in der ansonsten geschlossenen Häuserfassade. Felicia hielt darauf zu, während sie rhythmisch auf die Bremse trat, gleichzeitig herunterschaltete und das Lenkrad herumriss. Der ihm so plötzlich aufgezwungene Richtungswechsel ließ den Wagen bocken und quer zur Fahrrichtung über das Kopfsteinpflaster schlittern. Schließlich setzten sich die Naturgesetze durch und sorgten dafür, dass die Karosserie der Limousine mit einem markerschütternden Knirschen an der Steinwand entlangschrammte. Inmitten eines aufstiebenden Funkenregens und untermalt vom Kreischen zerreißenden Metalls zwängte sich der Wagen in die schmale Gasse.
In unbeherrschter Wut beschleunigte der Indianer und raste an der Einmündung der Gasse vorbei, die viel zu schmal für den breiten Dodge Ram war. Als er auf gleicher Höhe mit ihr war, jagte er noch einmal blindlings mehrere Kugeln durch das offene Beifahrerfenster, die jedoch ihr Ziel verfehlten und sich harmlos in die weichen Adobeziegel bohrten.
Als sie nach rund zehn Metern in der Gasse zum Stehen kamen, sprang Diaz aus dem Wagen und näherte sich wachsam der Straßenkreuzung, die Glock schussbereit in der Hand. Felicia bezog vor dem Kofferraum des Wagens Position.
Von dem Pick-up war nichts mehr zu sehen, als Diaz die Einmündung erreichte. Die Straße war menschenleer. Vom Zentrum San Miguels drangen die schlichten Trommelrhythmen der Feier herüber.
Felicia tauchte hinter Diaz auf. »Sieht ganz so aus, als hättest du irgendwen ernsthaft wütend gemacht«, stellte sie fest.
Kapitel 17
Die linke Seite des Polizeiwagens war hoffnungslos zerkratzt und zerbeult. Ein Scheinwerfer baumelte an seinen Kabeln herab wie die nackte Linse eines aus seiner Fassung gerissenen Roboterauges. Doch keiner der Reifen verlor Luft. Verwundet, ja, aber nicht tödlich getroffen.
Als Felicia in die überdachte Einfahrt des El Palacio Real einbog, des Vier-Sterne-Hotels, in dem Bass Smallwood sozusagen in Schutzhaft saß, bedachte der Chefpage den Wagen mit einem missbilligenden Blick. Diaz zeigte ihm seine Dienstmarke und betrat wortlos die Lobby. Die Marmorverkleidungen schimmerten so glänzend wie frisch polierte Stiefel. Ein künstlicher Wasserfall und etliche Farne in Kübeln verliehen der Lobby eine pseudotropische Atmosphäre.
Felicia holte Diaz vor den Aufzügen ein. Sie wirkte ungehalten.
»Gewöhn dich daran«, sagte Diaz. »Wenn du ein Bulle bist, wollen dich eine Menge Leute am liebsten tot sehen. Aber die Wahrscheinlichkeit, diesen Bastard zu schnappen
Weitere Kostenlose Bücher