Die Tote von San Miguel
in ein abgeschiedenes Strandresort irgendwo in Yucatán abgesetzt?
Dann war da Brian Dillinger, der sich mit dem Senator und dessen Gefolge herumtrieb. Er hatte Diaz eine gute Geschichte aufgetischt. Ein neureicher gringo , der es südlich des Rio Grandes zu Wohlstand gebracht hatte. Doch in Mexiko kam niemand ohne stille Teilhaber aus, ob er es nun wollte oder nicht.
Und war es nur reiner Zufall, dass sowohl Bass Smallwood als auch Brian Dillinger Kunstgalerien auf beiden Seiten der Grenze betrieben?
Diaz glaubte nicht an Zufälle, das Schreckgespenst des existentialistischen Abendlandes. Nur an die Bestechlichkeit der menschlichen Seele. Und manchmal an Träume und Erscheinungen.
Und zu guter Letzt, wer war C. V.? Immer wieder kam ihm der Gedanke, dass die Buchstaben für curriculum vitae standen. Wie idiotisch war das denn!
Sein Kopf fühlte sich wie ein verstopfter Abfluss an. Als würden seine Gedanken von einem Klumpen aus klebrigem Schleim, verfilzten Haaren und abgeschnittenen Finger- und Fußnägeln blockiert. Er brauchte dringend frische Luft, um wieder klar denken zu können. Das und den Bericht über Amanda Smallwoods Autopsie.
Felicia telefonierte gerade, als er an ihrem Schreibtisch vorbeikam. »Ich gehe in die Wonder Bar «, sagte er. Sie blickte zu ihm hoch. »Auf einen Kaffee«, fügte er hinzu, als müsste er sich verteidigen. »Schick Ortiz vorbei, falls er auftaucht.«
Draußen war es kühl, der Himmel hatte sich bewölkt. Diazwar froh, dass er sich gegen sieben Uhr morgens nach einem langen deprimierenden Blick aus dem Fenster für einen Anzug aus Wollstoff entschieden hatte. Nach den Ereignissen des vergangenen Abends hatte er schon wieder Dünnschiss gehabt. Er hoffte, dass er sich keine Amöbenruhr eingefangen hatte.
Schon der Kaffeeduft, der aus der Espressotasse aufstieg, die Felix, der Besitzer der Wonder Bar , vor ihm abstellte, weckte wieder seine Lebensgeister. Er winkte dankend ab, als Felix ihm fragend eine Brandyflasche hinhielt, und trank den ersten Schluck. Aaahh!
Felix wischte sich die Hände an einem Barhandtuch ab, schenkte sich selbst einen Brandy ein und leerte das Glas in einem Zug. In seinem buschigen, wie angeklebt aussehenden Schnurrbart blieben einige Tropfen des Alkohols hängen, die er gewissenhaft mit der Zungenspitze ableckte.
Diaz wählte mit der linken Hand die Telefonnummer von Dr. Mozas Klinik. Das Geschenk des opponierenden Daumens ist schon ein unglaublicher Durchbruch gewesen , dachte er. Man stelle sich nur vor, wozu wir noch alles fähig wären, wenn wir zusätzlich einen Greifschwanz hätten . Er gab Felix ein Zeichen, seine halbgeleerte Espressotasse mit Brandy aufzufüllen.
Moza meldete sich bereits nach dem zweiten Klingelton.
» Que hay de nuevo , Nicholas?«
»Wie es scheint, haben Sie es geschafft, ein weiteres Wochenende zu überleben«, antwortete Moza barsch. »Ich habe in den Nachrichten gesehen, wie einige Ihrer Kollegen Samstagnacht in Mexico City während eines Feuergefechts erschossen worden sind. Hatten sich wohl für die falsche Seite im Drogenkrieg entschieden.«
»Sie haben das Wochenende offensichtlich ebenfalls überstanden.Tatsächlich klingen Sie heute Morgen sogar eindeutig aufgekratzter als sonst. Haben Sie es sich zufällig mal wieder anständig besorgen lassen?«
»Derartige Informationen bleiben ausschließlich meinem päderastisch veranlagten Priester vorbehalten, falls ich – natürlich rein hypothetisch gesprochen – zur Beichte gehen sollte. Als Testlauf für mein unvermeidliches baldiges Ableben.«
»Tut mir leid, dass ich gefragt habe.«
»Ist nicht nötig.«
Ohne eine Bestellung abzuwarten, stellte Felix einen weiteren Espresso vor Diaz ab, diesmal von Beginn an mit Alkohol versetzt. Diaz stürzte ihn muy rapido hinunter. Aber nichts kam der ersten Tasse gleich, wie er wieder einmal mit Ernüchterung feststellte. Eine Erfahrung, die der mit Frauen nicht unähnlich war. Er konzentrierte sich wieder auf sein Gespräch mit Moza.
»Irgendwelche Nachrichten von Ihren Kumpels aus der Rechtsmedizin in Guanajuato?«
»Das sind nicht meine Kumpels«, entgegnete Moza. »Aber tatsächlich hat mich Dr. Gupta heute Morgen angerufen. Er hat sich gestern Nachmittag mit der Smallwood-Leiche beschäftigt. Die kleine Nutte war so high wie ein Wolkenkratzer, als sie gestorben ist. Heroin. Schore. H. Horse. Dope. Mexican brown . Welche Bezeichnung Sie auch immer bevorzugen.«
»Aber sie hatte keinerlei Einstiche am
Weitere Kostenlose Bücher