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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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ist jetzt Mittagszeit«, gab Felicia zurück. »Ich habe dreimal tacos carnitas adobo für uns bestellt.« Sie deutete auf ihren Begleiter. »Das ist Syd. Syd, Inspector Diaz.«
    »Sie sehen nicht besonders gut aus, Syd«, sagte Diaz. »Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, ein Vitaminpräparat einzunehmen.«
    »Syd hat ein morgendliches Alkoholproblem«, erklärte Felicia.
    Währenddessen trat eine mestiza , ihres Zeichens Inhaberin des Imbissstandes und Starköchin, barfuß mit einem Tablett voller immer noch brutzelnder tacos , pico de gallo und salsa aus gegrillten Tomaten an den klapprigen Tisch. Diaz merkte plötzlich, dass er fast am Verhungern war.
    Er setzte sich auf die Stufen neben dem Tisch, beugte sich weit vor und schlang drei tacos in sich hinein, die so reichhaltig mit salsa und pico de gallo gefüllt waren, dass er den Bürgersteig vollkleckerte. Felicia aß zivilisierter, schaffte aber ebenfalls drei tacos . Syd, dem offensichtlich übel war, hielt sich an seiner Coke fest und vermied es, das Essen auch nur anzusehen.
    »Ich fühle mich scheiße«, murmelte er. »Sind Sie sicher, dass ich dabei sein muss?«
    Statt einer Antwort sprang Diaz auf, klopfte sich die Hose ab und rief mit lauter Stimme unternehmungslustig: »Also, worauf warten wir noch?«
    Während sich Felicia die Finger mit einer frischen Serviette abwischte und Syd, von Diaz’ unerwarteter Reaktion und aggressivem Tonfall überrascht, Coke aus Mund und Nase prustete, warf Diaz einen Blick auf seinen Schritt, um sich zu vergewissern, dass er den Reißverschluss seiner Hose zugezogen hatte. Felicia klopfte Syd herzhaft mit der flachenHand auf den Rücken. Mit jedem Schlag sank sein Kopf ein Stückchen tiefer, bis seine Nasenspitze fast die Tischplatte berührte, die mit einer dünnen, mit Corona-Beer-Logos bedruckten Blechfolie überzogen war.
    »Ruhig, Mann, ganz ruhig«, sagte sie. Gleich darauf kniff sie ihm kräftig ins Ohr, ganz die hartgesottene Polizistin.
    »Au!«, stieß Syd hervor, zuckte zurück und rieb sich das schmerzende Ohrläppchen. Diaz legte eine Handvoll Geld auf den Tisch. Sie überquerten gemeinsam die Straße und blieben vor dem Palacio St. Jude stehen. Felicia betätigte die Türklingel.
    Eine dunkelhäutige Indianerin in einer magentafarbenen Bluse öffnete eine schmale, in das große hölzerne Tor der Villa eingelassene Tür.
    »Polizei«, sagte Diaz und hielt seine Dienstmarke hoch. »Wir sind gekommen, um Cy Muñoz Vega zu sprechen.«
    »S eñor Vega darf von niemandem gestört werden«, entgegnete die Frau.
    »Natürlich dürfen wir ihn stören. Ich bin Inspector Diaz von der Policía Judicial . Und dies hier ist meine Kollegin Corporal Goya.« Er machte sich nicht die Mühe, Syd vorzustellen.
    Als die Indianerin versuchte, ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, schob sich Diaz so rücksichtslos hindurch, dass die Frau das Gleichgewicht verlor, stolperte und auf ihrem Hinterteil landete.
    Sie betraten einen Vorhof, der mindestens 250 Jahre alt war und auf drei Seiten hufeisenförmig von der Villa umschlossen wurde. Das Gebäude setzte sich aus stuckverzierten Adobeziegeln, dekorativen Steinmauern und Marmortreppen zusammen. Der Hof wurde von einem barockenmoosbewachsenen Springbrunnen mit vier Putten beherrscht, die in hohem Bogen in das Wasserbecken pinkelten und ihrerseits von einem Konquistador in herrischer Pose überragt wurden, der eine nur spärlich bekleidete aztekische Prinzessin umklammert hielt. In den meergrünen Tiefen des Wasserbeckens schwammen dicke Goldfische gemächlich umher.
    Felicia half der gestürzten Bediensteten wieder auf die Füße. »Bingen Sie uns zu señor Vega!«, befahl sie. »Pronto!«
    Sie folgten der Frau, deren Gesicht sich in eine düstere Maske verwandelt hatte, drei breite Treppenstufen hinauf in ein Wohnzimmer, das im frühen caballero -Stil gehalten war: mit Pferdefell bezogene Möbel, Kuhfellteppiche mit Zebrastreifen, verschnörkelte schmiedeeiserne Bodenlampen. Über einem Kamin hing ein Gemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert, eine Tropenlandschaft in leuchtenden Farben. Diaz fand, dass es wie ein Frederic Church aussah. War es möglicherweise sogar ein Original?
    Im Hintergrund schloss sich ein schattiges Speisezimmer an, zur Linken befand sich eine kleine Kapelle. Hinter den weit geöffneten Türflügeln war eine primitive gekreuzigte Christusfigur zu sehen, handbemalt in Himmelblau, Blutrot und einem Blattgold, das in strahlendem Glanz leuchtete.

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