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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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ersten Stock des Südflügels: Garderobe, Turnzimmer, Toilette­zimmer, Schlafzimmer und Salon. Gustav kam aus dem Staunen nicht heraus.
    Die Wände des farbenprächtigen Turnzimmers waren in Anlehnung an pompejanische Villen mit Darstellungen antiker Gladiatorenkämpfe bedeckt und mit einem Turnapparat, einem Schwebebalken und zwei Garnituren von Ringen ausgestattet.
    Beinahe ehrfürchtig betrat Gustav das Schlafzimmer der Kaiserin. Es war nach einem Entwurf von Hans Makart mit Malereien aus Shakespeares Sommernachtstraum, dem Lieblingsstück der Kaiserin, geschmückt. Unter den Künstlern, die das Fresko ausgeführt hatten, waren der junge revolutionäre Maler Gustav Klimt und sein Bruder gewesen. Das imposante Prunkbett aus der Zeit Maria Theresias war besonders auffallend und vollkommen überladen mit Figuren und Straußen­federn und anderem Tand. Gustav fand es abscheulich.
    Noch viel abscheulicher fand er die Blutspritzer an der Wand hinter dem Bett und auf dem reich verzierten hölzernen Kopfteil des Bettes.
    „Das kaiserliche Bett entweiht durch einen bestialischen Mord“, sagte Karl Konstantin theatralisch.
    Gustav warf ihm einen fragenden Blick zu. Meinte es der Erzherzog ernst oder witzelte er wieder?
    Plötzlich entdeckte er seinen Freund Rudi zwischen all den Leuten, die sich am Tatort zu schaffen machten.
    Polizei-Oberkommissär Rudi Kasper ließ sich kaum anmerken, dass er über Gustavs Anwesenheit am Tatort nicht nur überrascht, sondern auch verärgert war. Hin und wieder warf er ihm missbilligende Blicke zu. Vor allem, als Karl Konstantin den Gerichtsmediziner ins Gebet nahm.
    Professor Mayringer erteilte dem Erzherzog bereit­willig Auskunft.
    „Ihr Hals ist von links nach rechts durchgeschnitten worden. Zwei ausgeprägte Schnittwunden befinden sich auf der linken Seite des Halses. Auch die Luftröhre, Speiseröhre und das Rückenmark sind durch­trennt worden. Über ihrer rechten Schläfe habe ich eine Quetschung festgestellt. Zwei Blutergüsse, durch den Druck eines Daumens verursacht, befinden sich auf dem rechten unteren Kiefer und auf der linken Wange. Die Schnitte in ihrem Gesicht lassen erkennen, dass sie von der linken Seite des Gesichtes beginnend ausgeführt wurden. Sie erstrecken sich unregelmäßig über Augenbrauen, Nase, Wangen und Lippen. Der große Blutverlust rührt vom Durchtrennen des Halses her. Der Täter war höchstwahrscheinlich ein Linkshänder. Und der Charakter dieses Verbrechens weist darauf hin, dass er sexuell krankhaft veranlagt ist.“
    „Meinen Sie, dass er eine Vorliebe für Männer hat?“, warf Karl Konstantin ein.
    „Gut möglich“, sagte der alte Medizinalrat, den Rudi, wie Gustav wusste, für ziemlich vertrottelt hielt.
    Die Leiche war noch nicht weggebracht worden. Die Frau lag nackt in der Mitte des Bettes. Der seidene Polster und der Bettbezug waren mit Blut getränkt.
    Gustav trat näher an das Bett heran. Er wollte sich ein eigenes Bild machen, obwohl er mit Übelkeit zu kämpfen hatte.
    Die Tote lag auf der rechten Seite. Ihre Beine waren angezogen. Ihr Kopf lag auf dem Kissen und war auf die rechte Wange gedreht. Die linke Hand ruhte auf ihrer Brust und war innen und außen mit Blut verschmiert. Auf ihrem halb entblößten Körper waren auf den ersten Blick keine äußerlichen Verletzungen zu erkennen. Nur im Hals gab es einen tiefen Einschnitt.
    „Ich habe genug gesehen. Kommst du mit mir zurück in die Stadt?“, fragte Karl Konstantin, als Gustav seinem Freund Rudi Fragen zu stellen begann.
    „Ja, es ist besser, ihr verschwindet. Ihr stört uns bei der Arbeit“, sagte Rudi so leise, dass nur Gustav seine Worte hören konnte.
    Gustav warf einen letzten Blick auf den Leichnam. War da nicht etwas an ihrer Schulter? Er machte wieder einen Schritt auf das Bett zu und sah jetzt ganz deutlich den Halbkreis und darüber einen geraden, horizontalen Schnitt. Die Enden der Schnittwunden waren leicht ausgefranst. Er hatte diese kleinen Verletzungen vorhin übersehen, weil er nur auf die nackten Brüste der Toten gestarrt hatte. Er wollte Rudi darauf aufmerksam machen, doch der sah ihn so böse an, dass er es fast mit der Angst zu tun bekam.
    „Haut endlich ab“, zischte er.
    Gekränkt folgte Gustav dem Erzherzog zu seiner Kutsche und ließ sich, nachdem Karl Konstantin bei seiner Sommerresidenz in der Maxingstraße, in der Nähe der Villa von Kaiser Franz Josephs früherer Geliebten Anna Nahowski, ausgestiegen war, in dem fürstlichen Sechsspänner

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