Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
Vom Netzwerk:
Obstmarkt, schräg gegenüber vom neuen Secessionsgebäude, das von den Wienern mittlerweile wegen des vergoldeten Aufsatzes „Krauthappl“ genannt wurde, ertönten unzählige Kaufrufe von Straßenhändlern. Ein paar Marktweiber feilschten mit ihren Kundinnen. Eine Fratschlerin mit einem derben, ausgemergelten Gesicht hatte es auf ihn abgesehen.
    „Warum haben S’ es denn so drawig, gnä’ Herr? Können Sie’s denn net erwarten, zu Ihrem Mädl zu kommen? Wollen S’ ihr net was mitbringen? A paar Röschen vielleicht?“
    Gustav schaute, dass er weiterkam.
    Als ihm ein Schneckenweib auf den Leib rückte, überlegte er, ihr ein Dutzend Weinbergschnecken abzukaufen. Er liebte Schnecken in Butter, obwohl es ein Arme-Leute-Essen war und Josefa keine Freude mit den glitschigen Dingern haben würde.
    „Meiner Seel!“, stieß Josefa hervor und griff sich an die Brust, als sie die Wohnungstür öffnete und Marie Luise von Batheny in Begleitung ihrer Zofe erblickte. Sie hatte gerade das Nachtgeschirr im Abort am Gang ausleeren wollen und stand nun mit drei vollen Nachttöpfen in den Händen vor den beiden ganz in schwarz gekleideten Damen und starrte sie entgeistert an.
    „Melde mich deiner Herrschaft“, befahl ihr Marie Luise mit gerümpfter Nase.
    „Herr von Karoly ist nicht zu Hause“, antwortete Josefa knapp.
    So ein Damenbesuch am frühen Morgen gehörte sich nicht in ihren Augen. Obwohl sie die Tochter des Grafen, aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit deren Vater, sofort erkannt hatte, hätte sie ihr am liebsten die Tür vor der Nase zugeknallt. In diesem Augenblick kam Dorothea aus ihrem Zimmer und bat den unerwarteten Besuch herein.
    „Geh schon, Josefa, worauf wartest du?“, sagte Dorothea mit ernster Miene. Das belustigte Funkeln in ihren Augen deutete auf etwas anderes hin. Sie fand die Situation ungeheuer komisch und musste sich, angesichts der vor Ekel verzogenen Gesichter der beiden Fräuleins, sehr beherrschen, nicht in Gelächter auszubrechen.
    „Guten Morgen. Mein Name ist Dorothea Palme. Was kann ich für Sie tun?“
    Marie Luise von Batheny erwiderte den Gruß, ihre Zofe deutete einen Knicks an.
    „Ich komme im Auftrag meines Vaters, um Herrn Gustav von Karoly persönlich eine Einladung zu überbringen.“
    Dorothea wusste nicht so recht, in welches Zimmer sie die Comtesse führen sollte, entschied sich schließlich für Gustavs Zimmer, da er der Ordentlichste im Karoly’schen Haushalt war.
    Die Zofe bat sie, in der Küche Platz zu nehmen. Josefa würde sich schon um sie kümmern, wenn sie mit den ausgeleerten Nachttöpfen zurückkam.
    „Sie verzeihen mir hoffentlich diesen Überraschungs­besuch. Ich halte es wie Ihre Majestät, unsere geliebte Kaiserin. Sie hat ja auch gern fremde Leute spontan besucht …“
    Und sich kindisch gefreut, wenn diese dann völlig perplex und verunsichert waren, beendete Dorothea die Erklärung der Comtesse in Gedanken.
    Vera, die den kleinen Wirbel im Vorzimmer mit­bekommen hatte, erschien kurz darauf unfrisiert und in einem abge­tragenen grauen Kleid in Gustavs Zimmer.
    „Darf ich Ihnen Vera von Karoly, die Tante von Gustav von Karoly, vorstellen, Comtesse“, sagte Doro­thea.
    Vera reagierte ganz und gar gelassen auf Marie Luises Besuch.
    „Josefa wird Ihnen, sobald sie zurück ist, Kaffee bringen. Ich darf mich jetzt wieder zurückziehen, Comtesse. Sie verzeihen, ich habe zu arbeiten.“
    Kurz darauf vernahmen die jungen Damen das Klappern einer Schreibmaschine durch die Tapetentür, die den ehemaligen Salon mit Veras Zimmer verband.
    „Ich bin gekommen, um Herrn von Karoly und Sie und Ihre … oder besser gesagt, Gustavs Tante, persön­lich einzuladen.“ Die Comtesse schien nach Veras knapper förmlicher Begrüßung und ihrer etwas brüsken Verabschiedung, die ihr verriet, dass ihr Überraschungsbesuch nicht gerade schicklich war, nun doch etwas verlegen. „Mein Vater wird einen venezianischen Abend für mich geben … Ich feiere nämlich demnächst meinen Geburtstag.“
    Dorothea tat Gustavs Halbschwester, von der sie schon so viel gehört hatte, fast leid. Vera hatte die junge Dame ziemlich barsch behandelt.
    „Vera von Karoly ist eine vielbeschäftigte Frau. Bestimmt haben Sie schon vom Österreichischen Frauenverein gehört.“
    „Natürlich. Auch Ihre Majestät, unsere geliebte Kaiserin, kämpfte ihr Leben lang für die Rechte der Frauen“, sagte Marie Luise.
    Schön wär’s gewesen, dachte Dorothea. Die verstorbene Kaiserin kämpfte

Weitere Kostenlose Bücher