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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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nach Hause bringen.
    Abends besprach Gustav den neuen Mordfall mit Vera und Dorothea. Beide hatten bereits davon gehört. Die Ermordung der Großnichte der verstorbenen Kaiserin war mittlerweile Stadtgespräch.
    Nicht nur seine Tante, auch Dorothea zeigte dieses Mal lebhaftes Interesse an dem Verbrechen. Normaler­weise reagierte sie eher belustigt auf Gustavs Schilderungen seiner Fälle.
    „Du solltest es ihm erzählen, Vera“, forderte Dorothea ihre Patentante auf.
    „Was soll sie mir sagen? Tut nicht so geheimnisvoll, ihr beiden. Was verschweigt ihr mir?“
    Vera räusperte sich, nahm einen Schluck Kaffee und sagte mit leiser Stimme: „Diese kleine Wittelsbacherin war eine sehr leichtlebige Frau. Nicht dass ich solche Frauen verurteile, aber vielleicht solltest du das wissen, es könnte dir eventuell bei der Aufklärung des Mordes helfen.“ Sie hielt inne.
    „Und weiter?“
    „Also, Anna Clara hatte angeblich schon als Fünfzehnjährige ein Verhältnis mit einem verheirateten bayerischen Grafen und war sogar schwanger von ihm. Rein zufällig verlor sie im vierten Monat das Kind. Daraufhin begann sie eine Affäre mit einem italienischen Adeligen. Seinen Namen habe ich vergessen. Er war sehr eifersüchtig, hat sie mehrmals verprügelt. Ein leidenschaftlicher Süditaliener eben, sagte man zu seiner Entschuldigung. In meinen Augen gibt es keine Entschuldigung für Männer, die Frauen schlagen.“
    „Ja, Vera, ich weiß und du hast vollkommen Recht“, unterbrach Gustav seine Tante, bevor sie ihm einen ihrer Vorträge über das Elend und die Unterdrückung der Frauen halten würde. „Wolltest du mir nicht mehr über diese junge Dame erzählen?“
    „Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Ihre Familie hat versucht, diesen Skandal zu vertuschen, was ihnen nicht gelungen ist. Anna Clara war eigentlich eine Persona non grata bei Hof, hat es aber immer wieder mit Hilfe ihrer Großcousinen, vor allem mit tatkräftiger Unterstützung der lebenslustigen Schwester Ihrer Majestät geschafft, sich in den höchsten Adelskreisen zu bewegen. Wer weiß, was diese kleine Prinzessin in Wien angestellt hat? Man munkelt, dass sie mit dem Reitlehrer der Hofdamen, einem gewissen Maximilian von Gutbrunnen, ein Gspusi hatte. Er war früher k.k. Reitlehrer in der Armee. Nachdem er seinen Dienst quittiert hat, wurde der fesche Draufgänger als priva­ter Reitlehrer für die hochherrschaftlichen Damen und ihre Sprösslinge engagiert.“
    „Ja sag einmal, Vera, woher weißt du das alles?“
    „Glaubst du im Ernst, wir reden bei unseren Treffen im Österreichischen Frauenverein nur über Frauenwahlrecht und unser Recht auf Bildung? Natürlich wird auch viel getratscht.“
    „Darf ich dich küssen, liebes Tantchen?“, scherzte Gustav und traf Anstalten, sie zu umarmen.
    Vera hielt ihn sich mit beiden Händen vom Leib.
    „Hör auf, du Verrückter!“
    „Wenn dir jetzt noch der Name dieses italienischen Edelmannes, der sie misshandelt hat, einfällt, küss ich dich wirklich.“
    Vera gab ihrem Neffen einen Klaps auf die Wange.
    Dorothea, die dem Geplänkel zwischen Vera und Gustav amüsiert gefolgt war, sagte nun ernst: „Von Misshandlung ist es kein weiter Weg mehr zu Mord.“

16
    Gustav spazierte in aller Herrgottsfrüh zu seiner Trafik am Getreidemarkt. In der Nacht waren ihm die Zigarillos ausgegangen. Die ermordete Wittelsbacherin und der eifersüchtige italienische Edelmann hatten ihn nicht schlafen lassen. Stundenlang war er am offenen Fenster gesessen und hatte ein Zigarillo nach dem anderen geraucht.
    Er plauderte eine Weile mit dem einbeinigen Trafikanten. Der klagte wie immer über Phantom­schmerzen in seinem linken Bein, das man ihm in der Schlacht von Solferino weggeschossen hatte. Der alte Pospischil war meist bestens über die neuesten Gerüchte, die in der Stadt im Umlauf waren, informiert. Gustav brauchte ihn nicht lange zu bitten. Pospischil war nur zu gern bereit, ihn an seinem Wissen teilhaben zu lassen.
    „Also“, fasste der Trafikant zusammen, „die deutsche Prinzessin ist, genauso wie ihre Großtante, unsere Majestät die Kaiserin, Gott hab sie selig, von einem Italiener umgebracht worden. Diese Katzelmacher haben sich wieder mal gegen unser Kaiserhaus verschworen. Glauben S’ nicht auch, Euer Hochwohlgeboren?“
    „Ja, ja …“, murmelte Gustav und ergriff rasch die Flucht. „… sind sowieso alles Anarchisten“, hörte er den Pospischil noch schimpfen, als er bereits um die nächste Ecke bog.
    Beim

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