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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Besuche. Jede soziale Klasse hatte ihre besonderen Empfangstage. An gewissen Tagen erschienen nur die »Butifarras«, der höchste Adel, privilegierte Häuser, einige wenige Familien, die immer wieder untereinander heirateten; andere Tage waren für die Ritterschaft bestimmt, die, ohne zu wissen warum, sich von den Butifarras abhängig fühlte. Dann wurden die »Mossons« empfangen, die untere Klasse, Ärzte, Advokaten und Notare, deren Dienste von den erlauchten Familien in Anspruch genommen wurden.
    Don Horacio erzählte von dem Glanz dieser Empfänge. Damals verstand man, in großem Stile zu repräsentieren.
    »Bei der Geburt deines Vaters«, sagte er zu seinem Enkel, »fand das letzte große Fest in diesem Hause statt. Achthundert Pfund habe ich damals allein dem Zuckerbäcker von Palma bezahlt.«
    An seinen Vater erinnerte sich Jaime weniger. Wenn er an ihn zurückdachte, sah er einen blonden Spitzbart, eine kahle Stirn, ein liebenswürdiges Lächeln und blitzende Brillengläser. Man erzählte sich, daß Jaimes Vater in seiner Jugend seiner Cousine Juana den Hof gemacht hätte. Diese ernste Dame, die wie eine Nonne lebte, wurde allgemein »die Päpstin« genannt. Sie hatte ihr ungeheures Vermögen früher dazu benutzt, um dem Prätendenten Don Carlos große Summen zu geben. Jetzt bewies sie dieselbe Freigebigkeitgegen die Geistlichen, von denen sie beständig umgeben war.
    Seit ihrem Bruch mit Jaimes Vater ignorierte sie vollkommen diesen Zweig ihrer Familie und behandelte den kleinen Jaime mit feindseliger Abneigung.
    Sein Vater wurde, der Familientradition folgend, spanischer Marineoffizier. Er nahm teil an dem Kriege im Stillen Ozean und befehligte eine Fregatte beim Bombardement von Callao. Diese Gelegenheit, seinen Mut und seine Fähigkeiten zu beweisen, genügte ihm. Unmittelbar darauf nahm er seinen Abschied. Nach Mallorca zurückgekehrt, verheiratete er sich mit einer Dame von Palma, aus gutem Hause, aber ohne Vermögen, deren Vater damals Gouverneur der Insel Ibiza war. Die Päpstin Juana sagte eines Tages mit ihrer harten, kalten Stimme in ihrer hochmütigen Art zu Jaime:
    »Deine Mutter ist wohl aus einem adligen Hause, aber keine Butifarra, wie ich.«
    Jaimes Vater, der der Fortschrittspartei angehörte und nach der Revolution zum Abgeordneten gewählt worden war, weilte fast ständig in Madrid. Der kleine Jaime sah ihn nur, wenn er zu einem flüchtigen Aufenthalte nach Mallorca kam. Als Amadeus von Savoyen, dieser »revolutionäre« Monarch, wie ihn der konservative Adel, der ihn verabscheute, nannte, zum König proklamiert wurde, mußte er, von allen Persönlichkeiten des früheren Hofes verlassen, zu neuen Männern seine Zuflucht nehmen, und zwar solchen, die einen historischen Namen trugen. Der »Butifarra« Febrer gab dem Drängen seiner Partei nach und nahm ein Amt am Hofe an. Aber vergebens bat er seine Gattin, nach Madrid überzusiedeln. Sie wollte Mallorcanicht verlassen. An den Hof gehen? Und ihr Sohn?
    Als die Republik erklärt wurde, kehrte Febrer, der seine politische Laufbahn für beendet hielt, nach der Insel zurück. In jener Zeit war die Päpstin Juana ungemein beschäftigt. Sie unternahm eine Reise nach Spanien und wies große Summen an für die Anhänger von Don Carlos, die in Catalonien und den nördlichen Provinzen Krieg führten. Trotz ihrer nahen Verwandtschaft tat die rachsüchtige Dame, als kenne sie Jaimes Vater nicht. Man möge ihr nur nicht von Febrer sprechen! Sie war eine wirkliche Butifarra, die die Tradition verteidigte und Opfer brachte, damit Spanien wieder von Edelleuten regiert würde. Für sie stand ihr Vetter noch unter einem Chueta! Aber dieser Haß gegen seine politischen Ideen war, wie man sagte, eng verknüpft mit der bitteren Enttäuschung, die sie nicht verwinden konnte.
    Bei der Wiedereinsetzung der Bourbonen wurde aus dem ehemaligen Würdenträger des Königs Amadeus ein Republikaner und Verschwörer. Er machte häufige Reisen, empfing chiffrierte Briefe aus Paris, fuhr nach Menorca, wo er die in Mahon vor Anker liegende Flotte besuchte und seine alten Beziehungen zur Marine ausnutzte, um einen Aufstand vorzubereiten. Diesen revolutionären Unternehmungen widmete er sich mit dem abenteuerlichen Ungestüm und der kaltblütigen Verwegenheit, die den Febrer angeboren war, bis er ganz plötzlich in Barcelona, fern von den Seinigen, starb.
    Der Großvater empfing die Nachricht mit unerschütterlichem Gleichmut, aber man sah ihn nicht mehr zur gewohnten Stunde

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